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Der christliche Epimetheus – Konrad Weiß

Gott wirkt geschichtlich nicht durch das Menschliche und nicht durch die Menschheit, sondern durch seine »zeitörtlichen« Dispositionen innerhalb des Menschlichen, d. h. die Dispositionen sind die Kreationen und Vermittlungen des Planes zugleich, die Pfeiler der Planerstreckung; und diese sind, indem Vermittlungen, weniger als der klassizistische Menschheitsbegriff, indem Kreationen, mehr als dieser; gleich den Pfeilern des romanischen Langhauses, das innerhalb die freie gottmenschliche Lücke bewahrt, in der die universe Form geschieht, welcher sie assistieren. Die Dispositionen sind dazu ordohaft scheinbar neutraler und zugleich kreatürlich substanzieller als die Menschheit und das Menschliche; sie verschieben sich hinsichtlich des wirklichen Menschen ebenfalls in einer dritten, halb materialen und halb unsichtbaren Wirklichkeit. Es sind die Verschiedenheiten der Volkskräfte; und dieser, soweit sie sich zur Geschichte herausfordern. Die Materialisierung der Geschichte trägt immer eine unsichtbare Hierarchie mit sich. Das Christentum und nicht zumindest das katholische Wesen, indem es sich besonders fürchtet, geschichtliche Konkretionen materialistisch werden zu lassen, ist heute sehr dazu geneigt, diese Volkskräfte und ihre verschieden gefügten Notwendigkeiten als Substanzwirklichkeiten zurückzuschätzen und dafür die mittlere Lösung oder wohl zwar die christliche Lösung aus der mittleren Lücke zu suchen, welche dabei aber heute allzuleicht mit einer demokratisch menschheitlichen Lösung sich zu identifizieren geneigt ist. Dies zu sagen aus einem jetzt wieder anders und weltanschaulich konkreter werdenden Kunstgefühl heraus und im gleichen Gefühle gestärkt nach der Lektüre von Stifters »Witiko« — mit der Beobachtung, daß diese ordohaft gefügte Dichtung eine durchaus in ihr fortziehende Neigung habe, in das Politische einzumünden, eine restaurative Aufgabe darin zu erfüllen, eine integre Lebensanschauung geschichtlichen Verwaltungssinnes darin zu erweisen — dies also nach solcher Lektüre und aus dem restaurativen Sinne des Kunstgefühls zu sagen im Hinblick auf das unmittelbar sich Vollziehende in und über der zeitdeutschen Parteigeschichte ist man gedrängt; und ebenso, — um aus dem Vorgebot des künstlerischen Gewissens eine fordernde Folge zu finden für das menschliche, oder gleich das deutsch-christliche, — es anzuwenden auf die politischen Gesinnungen und ihre Wendsamkeiten. Daß gerade diese ordo-sinnhafte Dichtung, die mit dem scheinbar Allgemein-Neutralen des Ordo vor allem denkt und arbeitet, doch gerade nicht auf das Allgemein-Neutrale des Menschen gerichtet ist, sondern auf Volk, Stämme, politische Augenblicke, speziell hier auf das innerhalb christlicher Geschichte betont Aneignungswirksame des Hohenstaufischen, dies zeigt, daß zwischen dem Allgemeinen des Ordo und dem Allgemeinen des Menschlichen verschiedene Proportionen wirksam sein können, genau wie beim mittelalterlichen Kirchenbau. Man kommt hierbei auf die relativen Realitäten der Dispositionen und der Proportionen mit einander, welche als Gegebenheiten und Hinzufügbarkeiten einander entsprechen und gegenüber dem leer objektiven Menschheitsbegriff die schwebend festen Dinge der Zeithaltungen sind. Indem man unter den deutschen Katholiken diese Korrespondierungen, welche innerhalb des nationalen Daseins stehen, nach dem Kriege besonders als sekundär bezeichnet hat, — indem man mit Trost gesagt hat, das Sekundäre sei zwar besiegt worden, aber das Primäre des Religiösen bleibe doch um so gültiger möglich — hat man sich, indem man die Dispositionen vernachlässigte, die gewisse Parallele im Denken geschehen lassen, welche den Katholizismus mit der internationalen Demokratie als verwandt erscheinen läßt. Da man, indem man die Dispositionen vernachlässigt, auch die erst durch diese möglichen Proportionen, d. h. die zu ihnen leistbaren Zeitmächtigkeiten ins Ganze nicht leisten kann, so auch tatsächlich nur politisch und in der Haltekraft, aber nicht im Kulturganzen zeitmächtiger geworden ist — obzwar von außerhalb Stehenden mehr, als man vor dem Kriege je gedacht hätte, gefördert, aus den Gründen, welche diesen für ihren ökonomischen Bestand und überhaupt für die liberal-bürgerliche Erhaltung wichtig genug angelegen sein konnten —; da die Katholiken so, in der Absicht, die überzeitliche Gültigkeit vor allem zu erhalten, dementgegen eine demokratisch sehr zeitliche Phase im Ausdruck der Nachkriegsweltanschauung zu sein oder doch mitzudecken genötigt scheinen, wird, indem sich die Dinge aus den »objektiven« Allgemeinheiten wieder in die substanzielleren Augenblicke einwärts wenden, die Frage nach solchen früheren und heutigen Grundverhältnissen im politischen Geiste wieder so lebendig, wie vielleicht die Innenheiten des Volkes gegenüber dem intellektuell-ethischen Profit des allgemeinen Menschheitsgeistes aus Notwendigkeit zum wirklichen Leben jetzt lebendig werden. Erst in den Notstandsformen gebrochen muß der leere objektive Geist — und selbst wenn er Religion genannt wird, in einer heute ganz häufigen christlichen Anwendung des liberalen Wertbegriffes auf die gerüstetere christliche Wahrheit — wieder Kreatur werden und neu in eine subjektive Ermächtigung gesetzt sein, um der dritten Wahrheit — die Regierung der Geschichte zwischen Gott und Mensch ist das Dritte — fügbar zu werden. Heute, am 13. Januar, kommt durch die Zeitung, daß Hitler die parlamentarische Form für die Neuwahl des Reichspräsidenten Hindenburg abgelehnt hat. Die Wahl durch das Volk bleibe offen. Man kann, zumal in den Wegen und Mitteln der Notverordnungen durch Brüning das Parlament ausgeschaltet war, indem man nun bedenken mußte, daß es zum Zweck einer Notfortführung der Präsidentschaft, zu einer Art Einschmuggelung des staatsnotwendigen Fortlaufes, doch gebraucht werden sollte, diese Absage (abgesehen von ihrer persönlichen Absicht) nicht ohne einen Sinn von wahrem Maßstabe finden. Es liegt darin die notwendige Wertform einer, wenn auch Erschwerung bringenden, volkhaften Bewegung. Man soll das Neutrum des Parlaments nicht zum Träger einer zeitlichen Entscheidung in solchem Augenblick machen, so lange es nicht durch andere Proportionen aus der Zeitgeschichte wieder gespeist und gestuft ist. Das frühere Zentrum schon hat sich neutral auf den Boden des Staates gestellt (zwar im Volke wurzelnd, wo es mit ihm ländlich und landschaftlich herstammte, aber sonst kultürlich nicht proportional zum Volksganzen erkräftet), und dazu vor allem das Parlament tauglich befunden. Aber heute, wo sich die kultürlichen Proportionen der Volksdinge neu bilden wollen, muß der neutrale Staatsboden mehr als früher, indem er nicht als Abstoß ins Eigene gebraucht werden kann, unfruchtbar sein. Es hatte sich hier in dieser Wahlfrage eine Frage der Würde erhoben, d. h.


einer volkhaften Proportion zu einer zeithaften Disposition oder in ihr gegebenen, gefahrsinnigen Angulation und, sei es aus welchen Gründen, hat jedenfalls die oppositionelle Partei oder Volksbewegung diesem Gefühl jetzt mehr hinzugetragen. Ob übrigens Brüning nicht damit auch gerechnet hat? Aber allerdings die Notstandsformen anderer Lösungen sind der Mentalität des Katholiken vielleicht nicht substanziell fremd genug oder werden nicht im Gegensinn allenfalls kühne Praktik genug gegenüber der tolerablen Methode, zu welcher man als Katholik gern zwischen säkularer Substanz und beherzter Praktik den Mittelweg nimmt. Der Katholik setzt das Weltliche (oder also das vorher so genannte »Dritte« der Regierung und Planschaft) wie eine andere Seele nicht leichterweise in die Gefährdung; dies hat sich mit der Zurückdrängung der »Ultramontanen« aus dem tätigen Staatswesen, zum Schaden Deutschlands, wie auch gerade der Vaterländische sehen kann, und dann noch mehr durch das Vordringen der demokratischen »Menschlichkeit« verstärkt, neben welcher und ihrer Bequemheit im Grundsätzlichen der geschichtliche Opferbegriff und die Frage der Ehre für den religiösen Mut schwerer geworden ist. In der Wendung der Wahlfrage sodann noch vertritt der Deutschnationale Hugenberg rhetorisch mehr den Rechtsstreit als die Freiheit des Augenblicks. Der rechtsstehende Deutsche hat, wie häufig, nicht genügend freie Praktik, um über den ethisch ärgermaßigen Standpunkt hinweg, der ihm oft zu vertreten blieb, eine substanzielle Form der Geschichte heranzustellen. Er findet sich zu wenig oder zu ethisch »eitel« in die Vermittlung, in welche sich die katholische Partei etwa zu leicht findet. Und doch ist es die Sache dieser beiden, Deutschland mitsammen zu gewinnen. 14. Januar 32 Ein Aufruf vom Hochmeister des Jungdeutschen Ordens (Mahraun) schlägt heute eine Volksfront für Hindenburg vor, einen (Aufruf zum) Volksentscheid für die weitere Amtsdauer des Reichspräsidenten. Damit ist weder die aus demAugenblick ergriffene parlamentarische Praktik noch die öffentliche Kampfentscheidung der Volkswahl genug in Wirkung gelassen, jene Praktik durch das Ausräumen von rechtlichen Bedenken in das zu Umständliche und zu Ethische gehoben, weil die rechtliche Bedenkung und ihre Überschreitung der Würdigung und Hilfe durch das Volk mit überlassen wird (statt auf dem kürzeren Felde ausgetragen zu werden); diese Kampfwahlentscheidung ebenfalls in eine volksethische Aktion zu sehr zurückgesetzt, welche immer zu viel Verpflichtendes für den durch die Umstände der besonderen Inszenierung Geehrten mit sich bringt. Diese scheinbar höhere Ehrung durch eine eigene Aktion ist tatsächlich eine Herabminderung der persönlichen Amtskraft, wie denn in solchen Lösungen, wo sich Gemüt und Ehrung zusammenbinden wollen, die eigentliche Ehre zu kurz kommt. Dahin scheint übrigens der Deutsche leicht mit seinem öffentlichen Empfinden verfallen zu können, indem er ohne die Härte oder Wendigkeit im einzelnen ein dazwischen laufendes Prinzip des Gemütes mit allgemeiner Lösungsabsicht voranbringt, das dann weder dem einzelnen Sinne noch dem allgemeinen Gefühle eine befriedigende Sachlichkeit nachverschafft.

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