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Schiller-Galerie – Friedrich Pecht

Kunstwerke müssen sich selber nicht nur erklären, sondern auch rechtfertigen; ist ihre Lebenskraft nicht stark genug, dies zu vermögen, so können alle Taufsprüche und Begleitscheine sie nicht vor Siechthum und frühem Tode retten. Der Verfasser der Erläuterungen zur «Schiller-Galerie», welcher ja im Verein mit Arthur von Ramberg die Vaterstelle bei den Kindern der Muse vertritt, die in ihr dem Publikum dargeboten werden, hat daher anfänglich vorgezogen, dieselben ganz ohne Empfehlungsbrief in die Welt zu schicken und es ihnen selbst zu überlassen, ihren Weg in derselben zu machen. Der Erfolg hat ihm recht gegeben, da die Stimmen der kritischen Sicherheitspolizei, die ihre Legitimation während des ursprünglich lieferungsweisen Auftretens derselben untersuchten, sich wenigstens dahin vereinigten, ihrer Mehrzahl das Zeugniss leidlicher Gesundheit, wenn auch nicht immer feiner Sitten auszustellen, und weil ganz besonders das Publikum, bei dem sie ihr Unterkommen zu suchen hatten, sie mit überraschender Nachsicht aufnahm. Gerade sie aber ist es, die uns die Verpflichtung auferlegt, unserer nun vollständig ausgewanderten Lämmerschar einige Worte der Entschuldigung nachzuschicken für diejenigen unter ihnen, die nicht gut genug gewaschen und gebürstet sind. Gegen ablehnende Kälte kann man sich mit Stolz waffnen, Güte aber öffnet das Herz unwiderstehlich zu Dank und Demuth. Beide Väter wissen recht wohl, dass die Aufnahme ihrer Sprösslinge eben um so freundlicher war und sein musste, je mehr sie Züge ihrer Mutter, der Schiller’schen Muse, zeigten. Wer hätte sie auch nicht geliebt, wem hätte sie nicht mit heiligen Schauern das Herz durchglüht, da er noch jung und edelmüthig war, wen hätte sie nicht erhoben und erschüttert, erwärmt und verjüngt, wenn er der Geliebten der Jugend in spätem Tagen, im Herbste des Lebens wiederbegegnete, und ihr göttlich ernstes Antlitz alle Entzückungen, alle begeisterten Gefühle der Jugend in ihm wieder wach rief! Haben wir alle sie erst glühend angebetet, um sie darauf für lange im Sturme des Lebens ausser Augen zu verlieren, ja vielleicht sogar zu miskennen, so erstaunen wir nun um so mehr, wenn wir beim endlichen Wiedersehen finden, dass wir sie jetzt noch höher achten müssen, da wir sie besser verstehen. Was sie früher unserm Herzen war, das wird sie später unserm Geiste, wir sehen eine neue Seite der Göttin nur, die uns einst durch ihren Zauber gefangen nahm, während sie uns jetzt erhebt und befreit. Kinder gleichen aber bekanntlich nicht blos der Mutter, sondern zeigen öfter noch das Gesicht der Väter. Es ist das ein unvermeidliches Uebel, wie überall, so auch in unserm Fall, wo ohnehin die Vaterrechte unbestrittener sein müssen als die Ansprüche an die Mutter. Wo es aber auch dem einen oder andern von ihnen gelungen wäre, an ihre geliebten Züge wieder zu erinnern, so ist sein Schicksal gesichert. Den ganzen Adel, die volle Erhabenheit der Schiller’schen Muse zu erreichen — darauf mussten billig die Künstler von vornherein verzichten! Deutschland besitzt noch keinen Maler, der dem Dichter Schiller ebenbürtig wäre, und am wenigsten haben die Zeichner der Schiller-Charaktere eine solche Prätension. Wenn ein Künstler aber darauf verzichten muss, die ganze Schönheit und Hoheit seines Originals zu erreichen, den Geist vollständig zu erfassen, der die einzelnen Züge durchdringt und verklärt, so kann er doch versuchen, wenigstens diese letztern fein zu beobachten und treu wiederzugeben. Er wird in diesem Falle immerhin ein lebendiges und ähnliches Bildniss hervorbringen, und zwar um so mehr, je individueller er es durchzubilden sucht. Die Phantasie des mit dem Original wohl vertrauten Beschauers wird dadurch angeregt werden das zu ergänzen, was dem Künstler zu erreichen unmöglich war. Dies ist der Grundgedanke, der das Streben der beiden Künstler bei den vorliegenden Illustrationen geleitet hat. Wenn aber selbst Photographien bekannter Personen dem einen ähnlich, dem andern unerkennbar erscheinen, so müssen begreiflich bei der freien Schöpfung von Gestalten, von denen fast jeder sich schon selbst, ein nach seiner Individualität gefärbtes Bild gemacht hat, die Meinungen über ihre Aehnlichkeit noch mehr getheilt sein. Es wird dies um so mehr der Fall sein müssen, als ja hier nicht einmal das Original des Künstlers, sondern nur eine gestochene Copie desselben geboten werden konnte, die selbst im besten Falle immer hinter dem Original etwas zurückbleibt, im schlimmem oft die bessere Hälfte desselben vermissen lässt. Mit dieser unvermeidlichen Schwierigkeit des Stichs hatte man um so mehr zu ringen, als das vorliegende Unternehmen das erste dieser Art in Deutschland ist, da die bisherigen Illustrationen sammt und sonders entweder blos in Holzschnitten oder in leicht schattieren Umrissen im Stich ausgeführt wurden, die beide dem Streben der idealisirenden deutschen Schule gemäss mehr auf allgemeine Charakteristik der Handlung als auf eine genaue Individualisirung einzelner Gestalten ausgingen, die meisten Stecher aber diesen Forderungen gemäss gebildet waren. Ein dem bisherigen so entgegengesetztes Verfahren musste also vielen Hindernissen begegnen. Zeichner und Stecher haben sie muthig zu überwinden gesucht, und dass dies Bemühen der Stecher nicht umsonst gewesen, davon geben viele Blätter unserer Sammlung ein ehrendes Zeugniss. Wenigstens glauben wir, dass sie den Vergleich mit ähnlichen Unternehmungen des Auslandes nicht zu fürchten brauchen, eben weil sie dieselben nicht nachahmten. Unsere Fehler nicht nur, auch unsere Vorzüge gehören uns, das wird der Kunstverständige leicht gewahren, so viel er sonst auch mit Recht an uns tadeln mag. Die gewonnenen Resultate und Erfahrungen aber wollen wir mit erneuten Kräften und durch die freundliche Aufnahme des Publikums gestärktem Muthe bei der von der Verlagshandlung beabsichtigten Herausgabe der «Goethe-Galerie» demselben nutzbar zu machen suchen. Zeigt Schillers Leben selber ein fortwährendes unermüdetes Ringen nach dem Ziele der höchsten Vollendung, so möge es uns wie jedem Deutschen ein leuchtendes Beispiel zur Nachahmung sein, damit man von uns sagen könne, dass wir das Würdige wenigstens ehrlich gewollt haben.


Ueber die den Bildern beigegebenen Erläuterungen sei es dem Verfasser derselben gestattet noch einige Worte beizufügen, da er allein ihre Verantwortung zu übernehmen hat. Ob er in ihnen etwas Neues über den Dichter zu sagen gewusst hat, darüber steht ihm um so weniger ein Urtheil zu, als er offen gesteht, dass er das Alte, wenigstens zum grössten Theile, nicht kennt. Er hatte es von jeher vorgezogen, die Dichter selbst zu gemessen, anstatt ihre Kritiker und Glossatoren, und beschränkte sich daher, wo er das Bedürfniss einer Anlehnung empfand, darauf, durch die vortrefflichen Winke, die Gervinus und besonders Julian Schmidt über den Dichter gaben, seiner eigenen Anschauung nachzuhelfen. Es kam ja auch hier nur darauf an, zu zeigen, was er dabei empfunden, nicht zu wiederholen, was andere dabei gedacht, da Bild und Text in der Regel miteinander entstanden. Ehe die vorliegende Arbeit begann, litt auch er, wie wol die meisten Deutschen, an dem Nachtheil, dass er den Dichter in frühester Jugend nicht etwa gelesen, sondern blos verschlungen, die melodischen Verse auswendig gelernt, aber ihren Gehalt noch sehr wenig verstanden hatte. Nur die eine Seite des Schiller’schen Talents, der Glanz und die stolze Pracht der Sprache, die Glut der Begeisterung für eine ideale Welt, die der realen direct gegenübergestellt schien, hatten ihn fast allein dabei gefesselt. Wenn man eben selbst noch keinen Gehalt hat, so fehlt einem meist auch der Sinn für den anderer. Somit trug er wie tausend andere aus dieser Periode seiner Beschäftigung mit dem Dichter fast blos die Erinnerung gewisser volltönender Sentenzen davon, die ihm beim Eintreten der Reaction des Mannesalters dann als Phrasen von zweideutigem Werthe erschienen und den Dichter auf lange Jahre verleideten. Die Aufgabe aber, die wir alle zu lösen haben, ist: die Ideale der Jugend ins Alter hinüberzuretten dadurch, dass wir sie uns verlebendigen, dass wir die schöne Form, das hohe Wort mit einem bestimmten Inhalt erfüllen, dass wir die ideale Welt mit der wirklichen zu verbinden, sie für diese nutzbar zu machen lernen, anstatt sie fremd und unversöhnt in unserm Bewusstsein nebeneinander zu tragen, die eine von beiden zu verachten und zu verleugnen, weil wir noch keine Brücke von der einen zur andern zu schlagen wissen.

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