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Novellen – Matteo Bandello-3

ZU DEN ZEITEN der Scaliger beftanden zu Verona die zwei an Adel und Reichtum über andere ragenden Familien der Montecchi und Capelletti, zwiſchen denen, gleichviel aus welchen Gründen, eine ſo grauſame und blutige Feindſchaft ſich entſponnen hatte, daß in dem wiederholten Handgemenge, welches ſie zu ihrem immer ärgeren Entflammen nach ſich zog, nicht nur der eigenen Angehörigen, ſondern auch der Anhänger beider Geſchlechter die Menge getötet wurde. Als nun vorzeiten Bartolomeo Scala Herr von Verona war, bemühte ſich derſelbe zwar, ſie miteinander auſzuſöhnen, kam aber nimmer damit zuftande, weil ihr gegenſeitiger Haß zu tief gewurzelt hatte. Nichtsdeftoweniger bewirkte er ſo viel, daß er, wenn auch nicht den Frieden ftiftete, ſo doch den immerwährenden tätlichen Auſbrüchen ihres Unfriedens fteuerte, demzufolge ſchon allmählich wieder viele von den beiden feindlichen Parteien anfingen, miteinander zu reden. Da geſchah es, daß dereinst zur Karnevalszeit in dem Hauſe des gaftfreien und lebensfrohen Antonio Capelletto, des Hauptes ſeiner Familie, ein glänzendes Fest gefeiert werden ſollte, zu dem eine große Anzahl edler Männer und Frauen eingeladen war, und daß unter anderen Jünglingen auch Romeo Montecchio, etwa zwanzig bis einundzwanzig Jahre alt, und wohl der ſchönfte und geſittetfte von allen, hinging. Romeo war damals in heftiger Liebe zu einem jungen Fräulein entbrannt, dem er ſchon ſeit zwei Jahren ſein Herz ergeben hatte und tagaus, tagein allerwärts, in die Kirche oder wo ſie ſonst hinging, folgte, obgleich ſie ihn noch keines einzigen Blickes gewürdigt hatte. Er hatte ihr viele Briefe geſchrieben und Botſchaften geſendet; aber ihre Härte und Strenge gegen ihn blieb ſich immer gleich und bewog den leidenſchaftlichen Jüngling am Ende, da ſie ihm immer ſchwerer zu ertragen fielen, und nachdem er unendliche Klagen auſgeftoßen hatte, zu dem Entſchlüſſe, Verona zu verlaſſen und ein oder zwei Jahre auf Reiſen im übrigen Italien zuzubringen, um ſich ſeines ungezügelten Verlangens alſo womöglich zu entledigen. Jedoch von ſeiner heißen Liebe zu ihr überwunden, machte er ſich dagegen wieder ſelbst Vorwürfe, einen ſo törichten Gedanken gefaßt zu haben, und wußte auf keine Weiſe fortzukommen. Zuweilen ſagte er zu ſich: »Warum liebe ich ſie nur, da ich doch aus tauſend Anzeichen erkennen kann, daß meine Dienftbarkeit ihr nicht angenehm ist? Warum verfolge ich ſie denn wie ihr Schatten überallhin, da ich weiß, daß es mich zu nichts führt? Vielleicht erliſcht, ſobald ich ſie nicht mehr ſehe, dieſes Feuer meiner Leidenſchaft allmählich, wenn es aus ihren ſchönen Augen weiter keine Nahrung zieht?« Aber all ſein Sinnen und Trachten war vergebens; denn es nahm den Anſchein, daß, je ſpröder ſie ihm begegnete und je weniger ſie ihn hoffen ließ, defto mehr ſeine Liebe zu ihr anwüchſe, ſo daß er keinen Tag mehr Ruhe hatte, ohne ſie geſehen zu haben. Indem er nun ſo ftandhaft und inbrünstig an dieſer Liebe hing, befürchteten einige ſeiner Freunde, ſie würde ihn zugrunde richten, und mahnten ihn viele Male liebreich davon ab; aber er beachtete ihre heilſamen Ratſchläge ebenſowenig, als die Dame ſeines Herzens ſich um ſein Tun und Laſſen kümmerte. Unter anderen hatte Romeo einen Genoſſen, dem es über die Maßen leid war, ihn ohne die Hoffnung auf Erfolg die Zeit ſeiner Jugend und die Blüte ſeiner Jahre an dieſe Dame verſchwenden zu ſehen, und er ſagte daher eines Tages geſprächsweiſe zu ihm: »Romeo, mir, der ich dich wie einen Bruder liebe, ist es gar zu empfindlich, dich alſo wie Schnee an der Sonne ſchmelzen zu ſehen! Du ſiehst und erkennst ja, daß es dir mit nichts gelingt, ihre Liebe zu erwerben: was mühst du dich ſo unnützerweiſe ab? Es ist die äußerfte Torheit, nach etwas Unmöglichem zu ftreben. Wahrſcheinlicherweiſe hat ſie ihren Liebhaber ſchon, um deſſentwillen ſie nichts von dir wiſſen mag. Du aber bist vielleicht der ſchönfte unter den Jünglingen dieſer Stadt. Du bist, erlaube mir, dir die Wahrheit unter die Augen zu ſagen, geſittet, anmutig, höflich, und, was der Jugend zur höchsten Zierde gereicht, du hast deinen Geist mit edlem Wiſſen gebildet. Überdies bist du der einzige Sohn deines Vaters, deſſen große Reichtümer allbekannt ſind, und der ja nicht etwa dich knapp hält und über dich Klage führt, wenn du zu viel verſchwendest. Er ist dir ein Verwalter, der ſich für dich abmüht und dich tun läßt, was du willst. Beſinne dich alſo jetzt und erkenne den Irrtum, worin du lebst! Lüfte von deinen Augen den Schleier, der ſie umdämmert und dich den Weg, den du einzuſchlagen hast, nicht wahrnehmen läßt! Entſchließe dich, deinen Sinn auf eine andere zu richten, die deiner wert ist! Die Zeit der Karnevalſfreuden und der Fefte beginnt. Nimm teil an allen, und wenn du dabei zufällig einmal in die Nähe derjenigen kommen ſolltest, der du ſo lange Zeit vergebens dientest, ſo ſchaue nicht auf ſie, ſondern in den Spiegel deiner ſeitherigen Liebe zu ihr, wodann du gewißlich inſofern einen Erſatz für deine Leiden findest, als der gerechte Zorn, der dich darob ergreifen muß, deine blinde Leidenſchaft aufhebt und dich der Freiheit wiedergibt.« Der getreue Freund ſuchte ſeinen Romeo auch noch mit anderen Gründen zu ſeiner Meinung zu überreden, und ſo entſchloß ſich derſelbe zuletzt, nachdem er ihn ruhig angehört hatte, ihm zu folgen. Er fing an, Fefte zu beſuchen, und wo er irgend ſeine Spröde erſah, wendete er den Blick von ihr ab und auf andere Schönen, um eine zu ſuchen, die ihm gefiele, gleich als ob er auf den Markt gegangen wäre, um Tuch oder Pferde zu kaufen. Als er nun dieſer Tage, wie ſchon geſagt, auf Capellettos Fest gegangen war, mit dem er allerdings nicht befreundet war, jedoch ſich auch gerade nicht abſichtlich anfeindete, ſo blieb er eine Weile daſelbst mit der Maſke vorm Geſicht und nahm ſie alsdann ab, indem er ſich in einen Winkel niederſetzte, wo er alle Anweſenden in dem großen Saale überſehen konnte, deſſen heller Kerzenſchimmer gleichſam mit dem Tageslichte wetteiferte. Jedermann und zumal die Damen ſahen auf Romeo und verwunderten ſich, daß er, und zwar zur Nachtzeit, ſo ſorglos in dieſem Hauſe weilte; indeſſen wurde er wegen ſeiner guten Eigenſchaften allgemein gern geſehen, und ſeine Feinde achteten eben nicht ſo ſehr auf ihn, als ſie vielleicht würden getan haben, wenn er älter geweſen wäre. So betrachtete denn Romeo im ftillen die ſchönen Frauen des Feftes, die eine mehr, die andere weniger, je nachdem ihre Reize ſeine Aufmerkſamkeit erregten, und erlustigte ſich auf dieſe Weiſe, ohne zu tanzen, als er mit einem Male ein außermaßen ſchönes Mädchen wahrnahm, das er nicht kannte. Sie gefiel ihm ſo unendlich wohl, daß er dafür hielt, niemals eine ſchönere und anmutvollere Jungfrau geſehen zu haben; ja es wollte ihm ſogar ſcheinen, als ob ihre Reize ihm immer bedeutender in das Auge fielen, je länger und angeftrengter es auf ihnen ruhte. Er begann mit ihr zu liebäugeln, vermochte immer weniger ſeine Blicke von ihr abzuwenden und gelobte ſich in der ungewohnten Freude, die ſein Herz über ihren Anblick empfand, alles aufzubieten, um ihre Gunst und Liebe zu erlangen. Alſo wurde denn ſeine bisherige Liebe zu jener anderen Jungfrau von dieſer neuen Flamme überwunden, die nicht eher als mit ſeinem Tode erloſch.


In dieſes ſchöne Labyrinth eingegangen, wagte Romeo nicht, den Namen ſeiner ſüßen Augenweide zu erfragen, ſondern ſog aus ihr das Gift der Liebe mit jeder Gebärde und von jedem Reize des ſchönen Mädchens ein, das er in ſeinem Winkel immerdar an ſich vorübertanzen ſah. Julia – denn ſo lautete ihr Name, die die Tochter des Hauſes war – kannte zwar auch ihrerſeits Romeo nicht; aber er erſchien ihr als der ausgezeichnetfte und ſchönfte Jüngling der festlichen Verſammlung, und ſie fand eine ſo wunderſame Befriedigung darin, ihn zuweilen mit einem verftohlenen ſüßen Blicke anzuſehen, daß ihr Herz ihr von unbeſchreiblichem Entzücken anſchwoll. Die Jungfrau wünſchte ſehnlich, daß Romeo zum Tanze antreten möchte, damit ſie ihn beſſer ſähe und ſprechen hörte; denn es wollte ihr bedünken, daß ſeine Rede ebenſo viele Süßigkeit auſhauchen müßte, als ihre durstigen Blicke aus ſeinemAnſchauen ſogen; nur blieb er allein unbeweglich ſitzen und ſchien keine Lust zu bezeigen, zu tanzen, weil ſein ganzer Sinn ſich auf die Erſcheinung des ſchönen Mädchens richtete. So verloren ſich beide in ihren gegenſeitigen Anblick, und wenn ſich dabei zuweilen ihre Augen begegneten und deren feurige Strahlen ineinanderfloſſen, ſo verſah ſich ein jedes von ihnen der Verliebtheit des anderen leicht: denn ſie erfüllten dann die Luft mit ſchweren Seufzern und gaben durch ſie zu verftehen, daß ſie damit nichts Ferneres erſehnten, als ihre heißen Liebesflammen einander zu offenbaren.

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