Man sprach zur Zeit König Philipps IV in Spanien in Sevilla von nichts Anderem, als den Eroberungen des Don Fernandez Hermosa. Der schönste der Männer in der Stadt, verführte er alle Frauen, erschreckte alle Ehemänner und setzte alle Häscher in Verzweiflung, so sehr skandalisirten seine Abenteuer die ganze Stadt. Genug, wenn Don Fernandez zu Pferde durch die Straßen eilte, von seinen adelichen Gesellschaftern begleitet , die fest ebenso wie er zu fürchten waren, so schloß man in Eile die Thüren und ließ die Fensterläden nieder, denn sobald eine Sennora diesem kühnen Zuge begegnete, so wurde sie entführt, ohne daß Jemand wagte ihr zu Hilfe zu eilen. Allein die Triumphe des Don Fernandez hatten ein Ende, wie ja Alles sein Ende findet. Die Justiz beschäftigte sich ernstlich damit, Sevilla von diesem übel zu befreien. Der Gouverneur der alten Stadt nahm sich die Ruhe der Bürger zu Herzen, und der junge Kavalier wurde, sowie sich die Gelegenheit darbot, in seiner Wohnung auf Befehl König Philipps IV. gefangen genommen. Ein einjähriges Exil genügte nicht, um den Schuldigen zu bessern; die Strafe verschlimmert den Fehlenden öfter , als sie ihn bessert. Dasselbe war mit Fernandez der Fall. Als er frei war, kehrte er nach Sevilla zurück und öffnete die Thüren seines Hauses aller lustigen Gesellschaft und warf seine Schätze in fröhlichen Gelagen zum Fenster hinaus. Aber inmitten dieser berauschenden Feste beherrschte ihn ein Gedanke, ein Gedanke, der eines Edelmanns durchaus unwürdig war. Er suchte ein Mittel, sich an seinem Feinde zu rächen. Der Zufall kam unglücklicherweise seinen Plänen zu Hilfe. Eines Abends öffnete sich die Thür des Gouverneurs mit großer Vorsicht, und eine verschleierte Dame, gefolgt den einer Kammerfrau trat heraus. Sie durcheilte die lange Straße mit schnellen Schritten und blieb vor einem ärmlichen Häuschen stehen, worauf sie eintrat. In einem elenden Zimmer lag hier auf einer erbärmlichen Lagerstätte ein Sterbender. Bald hörte man Nichts weiter als den Athem der vor dem Bette knienden beiden Engel und das angstvolle Röcheln des Kranken. In diesem Augenblicke schlug die Uhr der benachbarten Kirche zehn; die Sennora zitterte, erhob sich, ließ ihren Schleier nieder und verließ die traurige Wohnung. Sie ließ hier Gold, diesen Segen des Reichen, zurück und wechselte dafür Dankbarkeit diesen Segen der Armen ein. Als Donna Silvia (denn es war die Tochter des Gouverneurs) um die Ecke einen Gäßchens bog, begegnete sie einer Truppe junger Kavaliere, die alle in der Hand den weiß verzierten Dolch und auf der Schulter den Mantel trugen. »Halt, schöne Damen!« riefen sie mit höhnischen Stimmen, »hier beginnt Eure Sklaverei Die Sennoras müssen nächtliche Spaziergange fürchten und dem Asyl in einem Betsaale den Vorzug geben. Ihr seid unsere Gefangenen. Beim Sankt Jakob von Compostella kein Lösegeld der Welt könnte eine so reiche Beute befreien!« Die Herrin verlor den Gebrauch ihrer Sinne, was die Kammerfrau betrifft, so traten ihre flehentlichen Bitten umsonst. Man schloß ihr den Mund mit einem Taschentuche, und der eine der Kavaliere trug sie auf seinen Armen davon, indes Don Fernandez sich Donna Silvias, die er erkannt hatte, bemächtigte. Als das edle Mädchen wieder zur Besinnung kam, befand sie sich in einem Saale des Hauses Don Fernandez allein.
Eine unsichtbare Hand hatte sie auf ein reiches und weiches Sopha niedergelassen. Sie erhob sich, lief nach der Thür, und als sie gewahrte, daß dieselbe verschlossen war , rief sie die Hilfe des Himmels an und vergoß reichliche Thränen. Die Frömmigkeit und und ihr Gottvertrauen gaben ihr wieder Muth. Sie war überzeugt, daß Gott sie nicht verlassen würde , und beruhigte sich daher. Eine Maske und ein schöner Domino, die auf der Erde und zu ihren Füßen lagen, fielen ihr jetzt in die Augen. Es kam ihr der Gedanke, mittelst dieser Dinge die Wachsamkeit des Don Fernandez und seiner Freunde zu täuschen. Sieh hüllte sich in den Domino, bedeckte ihr Gesicht mit der Maske und empfahl sich von Neuem dem Schutze Gottes. Der junge Spanier säumte nicht, zu erscheinen. Die Gegenwart einer Dame in rosenfarbenem Domino und mit einer Sammetmaske machte ihn einen Augenblick stutzig; da er sich aber die Verwandlung , die mit der Tochter des Gouverneurs vorgegangen war, nicht erklären konnte, so glaubte er, eine der zu seinem Feste eingeladenen fröhlichen Gesellschafterinnen vor sich zu haben, zumal er sich erinnerte, diesen Anzug am Morgen gesehen zu haben. Mit etwas bedrängter und verlegener Miene wagte er endlich die Worte: »Wie! Meine Schöne, so allein hier, während die Menge das Geräusch und Vergnügen sucht?« »Frenandez,« antwortete die Sennora mit fester Stimme, »ich bin hier allein, weil die Träumerei mich zur Ruhe einlud. Die Träumerei ist zuweilen gut; aber ich gestehe es, mein Charakter eignet sich nicht, sich ihr lange zu überliefern. Das Schweigen dieses großen Saals bedrückt meine Seele. Komm, Fernandez; anderswo werden wir freier athmen.« Und Silvia beeilte sich, den jungen Kavalier in den erleuchteten Garten zu ziehen. »Mein Gott,« fuhr sie fort, »wir herrlich duften hier die Blumen! — Ach, Fernandez, welcherZaubergarten! — Was ist Dir? Deine Stirn ist von finstern Gedanken belagert!« »Ich erkenne Dich,« sagte Fernandez, »Du bist Jacintha, die Sylphide Sevillas, die schönste unter den Schönen. — Aber laß mich, — mich beschäftigen ernste Dinge —« »Wäre es möglich? Ich glaubte nicht, daß Don Fernandez im Stande wäre , sich mit ernsten Dingen zu beschäftigen. Und welches sind diese wichtigen Sachen?« »Ach! Jacintha, die Rache ist das süßeste aller Gefühle!« »Geh’, Fernandez, wohin Dein Herz Dich zieht!« Bei diesen Worten verlor sich die Sennora in die geheimnißvollen Büsche der blühenden Orangenbäume. Da dieser Theil des Gartens sehr wüst war, so gelang es Silvia leicht, eine der Thüren zu erreichen, die man offen gelassen hatte. Sie befand sich bald in einer Straße , aber inmitten der größten Dunkelheit. Sie ging nicht, sie lief. Es schien ihr, als hörte sie die Schritte ihres Entführers hinter sich. Allein sie irrte vergeblich während der ganzen Nacht in der Stadt umher, ohne den Wegs nach ihrem väterlichen Hause zu finden , und der Tag war bereits angebrochen, als sie dasselbe erst nach unsäglichen Mühen und Ängsten erreichte. Am Tage darauf hörte ganz Sevilla das Gerücht von Silvias Entführung, und das edle Mädchen sagte zu ihrem trostlosen Vater: »Tröste Dich, mein Vater, wenn mein Ruf auch vielleicht gelitten hat, so ist doch mein Gewissen rein, und ich werde mich rächen; Fernandez irrte sich nicht,« fuhr sie fort, »die Rache ist das süßeste aller Gefühle.« II. »Beeile Dich, Pepita, beeile Dich.
Wenn Du nicht schneller bist, so werde ich der Hinrichtung nicht mit beiwohnen können.« So sprach Donner Silvia zu ihrer Kammerfrau, welche damit beschäftigt war, sie anzukleiden. »Ich erkenne Ihre Menschlichkeit nicht mehr, Sennorita, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, wie sehr mich Ihr Betragen in Erstaunen setzt. Wirt die Tochter des besten, des edelsten der Männer, wie! Donna Silvia, die ein Unglücklicher und Armer niemals vergeblich um ein Almosen ersucht hat, glaubt, ein Vergnügen daran zu haben, die Hinrichtung eines Unglücklichen anzusehen, dessen trauriges Ende ihr Mitleid und Erbarmen einflößen sollte!« »Mitleid? Erbarmen? Für meinen Todfeind? Für einen abscheulichen Mörder?« »Das Wort ist hart, Sennora. Don Hermosa ist bestimmt kein Mörder. Ein Streit erhob sich zwischen ihm und dem Neffen des Königs. Ein Duell ohne Zeugen findet statt. Der muthige Fernandez tödtet seinen Gegner, und da er durch seinen Triumph die Ehre und Macht des Königs beleidigt und verletzt hat, so nimmt man ihn fest, schließt ihn ein, richtet und verurtheilt ihn zum Tode. Das ist eine befremdende Fatalität; aber kein Verbrechen; das bestreite ich.« »Woher hast Du denn dies sonderbare Mitleid, Pepita? kommt dies vielleicht daher, weil Don Fernandez Deine Herrin beleidigt hat?« »Ach, Sennora; Sie treiben Ihren Scherz mit mir. Nehmen Sie eher an, daß dies darin seinen Grund hat, weil ein schöner Kavalier stets verdient, daß man sich für ihn interessiert. Es. betrübt mich, wenn ich daran denke, daß ein Hieb mit dem Beile einen so schönen Kopf vom Rumpfe trennen die Schläge des Herzens endigen soll, wo die chevaleresken Gefühle niemals erloschen waren.« »Schweig, Pepita, denn Deine Rede verwundet mich. Schürze den letzten Knoten meines Korsetts, befestigt meinen Schleier, und eilen wir auf den Balkon. Fernandez, ich hatte geschworen, mich zu rächen; aber Du rächst mich besser, als ich je hätte thun können! Mein Vater erwartet uns, folge mir, Pepita. Ich wünsche die Menge auf dem Platze zu sehen. — Welche zahllose Menge, um den Kopf eines Menschen fallen zu sehen! Die Knechte des Scharfrichters arbeiten noch an dem Gerüst, sie behängen es mit schwarzem Sammet; ist das nicht bewundernswerth? Man vergißt nicht die »Rücksichten« die man dem Stande des Verurtheilten schuldig ist! — Horch, horch! die Menge wird laut — Alle Köpfe richten sich nach dorthin — Der Schuldige nähert sich! Ah! da sind schon die Kompagnien der Soldaten die den Trauermarsch dieses finstern Zuges eröffnen; sieh, dort kommen schon die schwarzgekleideten Büßermönche, und dort endlich der Verurtheilte! — Er ist von seinen Pagen und dem Priester begleitet, der ihn zur Reue ermahnt und auf den Tod vorbereitet!« — »Ach, wie schade um ihn!« seufzte Pepita. »Sehen Sie, Sennora, welch’ männliches und sicheres Betragen. Nein, der, welcher dem Tode mit solcher Ruhe ins Gesicht sehen kann, ist kein Schuldiger, ist kein Feigling! Gerechter Himmel, er besteigt das Schaffot, er entkleidet sich und reicht seinen Ueberwurf seinem Pagen; er befiehlt ihm, ihm das Haar zu binden — dies schöne, braune Haar, das mit so vieler Grazie auf seinen Spitzenkragen herniederfiel! Er sagt dem Knaben, daß er ihm die Augen verbinden solle, und schon schickt sich der Knabe an, das goldgestickte Taschentuch weinend zusammenzulegen, das nun für immer diese schönen, sanften Augen verschleiern soll! Ach, Sennora, Sonnora, er wendet seinen Blick hierher , er hat Sie erkannt, sehen Sie, wie erzittert, wie verwirrt er ist! — Nun, ich denke, jetzt sind Sie gerächt!«
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