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Die Macht der Drei – Hans Dominik

Wer es unternimmt, die technische Entwicklung auf Jahrzehnte vorauszusagen, muss die Zeichen seiner eigenen Zeit zu deuten wissen. Mit hellseherischer Begabung muss er die großen praktischen Entwicklungsmöglichkeiten voraussehen, welche die fortschreitende Vertiefung der Naturerkenntnis in sich birgt. Den zarten Keimen, die unter pfleglicher Forschung in unsern physikalischen und chemischen Laboratorien ersprießen, muss er es früher als alle andern ansehen, ob sie nur bescheidene Blumen für den Garten der Wissenschaft liefern, oder ob über lang oder kurz weltbeschattende Bäume aus ihnen erwachsen werden. Mehr als jede vorhergehende Epoche ist unsere Zeit für solche Voraussagen geeignet. Haben uns doch die letzten zwei Jahrzehnte neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse gebracht, die Ausblicke von überwältigender Schönheit und Größe in die Zukunft gewähren. Das Bild der Weltschöpfung, noch uneinheitlich und verworren im neunzehnten Jahrhundert, hat sich in unsern Tagen zur harmonischen Einheit entwickelt. Kraft und Stoff, die beiden Gegenpole einer früheren dualistischen Naturanschauung, sind in unserer fortgeschrittenen Erkenntnis wesenseins geworden, und diese Erkenntnis bedeutet die Morgenröte eines neuen, energetischen Zeitalters. Eines Zeitalters, das sich zu unserer Steinkohlen- und Dampfmaschinenzeit etwa verhalten dürfte, wie diese zu der Epoche der Steinzeit- und Höhlenmenschen. Aber wer in der großen Menge derer, welche die Naturwissenschaften nicht von Berufs wegen treiben, weiß Genaueres um dieses neue Wissen und um die riesenhaften Möglichkeiten, die in ihm verschlossen liegen? Wer von ihnen ahnt etwas davon, dass die technische Physik unserer Tage schon mit starker Hand an den Felsen klopft, aus dem kommenden Geschlechtern die mächtige Quelle der Atomenergie fließen soll und bald vielleicht auch fließen wird? Ein Kraftborn, der millionenfach mächtiger ist als die Energiequelle der Steinkohlenwärme, auf der unsere ganze heutige Zivilisation beruht. Derjenige aber, der darum weiß und davon schreibt, befindet sich heute etwa in der Lage eines Mannes, der zur Zeit des Siebenjährigen Krieges ein kommendes Jahrhundert der Dampfmaschinen und der Starkstromtechnik vorausgesagt hätte und Ende seines Jahrhunderts gefragt worden wäre, wie es denn nun eigentlich um die Erfüllung seiner Prophezeiung stünde. Der so Inquirierte hätte damals wohl antworten können, dass Mister Watt in England recht schöne Fortschritte im Bau der Feuermaschine gemacht und ein wichtiges Patent auf die Ausnutzung der Dampfexpansion genommen habe, und dass einem gewissen Professor Galvani in Bologna die Entdeckung ganz merkwürdiger elektrischer Erscheinungen geglückt sei. Aber ob der Mann mit solcher Antwort viel Glück gehabt hätte, ob ihm seine Zeitgenossen von 1791 beispielsweise geglaubt hätten, dass von den zuckenden Froschschenkeln Galvanis ein direkter Weg zu den Riesenkraftwerken des zwanzigsten Jahrhunderts führt, ist zumindest zweifelhaft. Doch vielleicht schenkt man nach diesen Erfahrungen vergangener Generationen dem Autor heute ein wenig leichter Glauben, wenn er es unternimmt, in romanhafter Form jene großen Möglichkeiten zu schildern, die nach seiner Überzeugung das Antlitz der Erde und die Lebensformen der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten von Grund aus umgestalten werden. Freilich vollziehen sich solche einschneidenden Wandlungen nicht von heute auf morgen. Dauerte es doch auch noch zwei Menschenalter nach der grundlegenden Erfindung von James Watt, bevor die Dampfkraft in Europa Allgemeingut der Wirtschaft wurde. Währte es doch noch ein halbes Jahrhundert, nachdem Werner Siemens die Dynamomaschine erfunden hatte, bis die elektrische Energie sich wirklich in jeden Haushalt ergoss. Mit ähnlichen Zeiträumen werden wir daher rechnen müssen, bevor alles das, was der Wissende heute bereits sicher kommen sieht, restlos verwirklicht wird. Wer es trotzdem unternimmt, von kommenden technischen Dingen zu schreiben, muss es sich gefallen lassen, dass seine Prophezeiungen zunächst bezweifelt oder in das Gebiet der Utopie verwiesen werden. Das ist auch dem Verfasser dieser Zeilen mit seinen technischen Zukunftsromanen bisweilen so gegangen, und er muss es den dahinrauschenden Jahrzehnten überlassen, die Wahrheit seiner Prophezeiungen zu erweisen. Doch neben jenen ganz großen Wandlungen, deren Ablauf Menschenalter beansprucht, vollzieht sich viel schneller ein technischer Fortschritt im Kleinen, dessen Erscheinungen gewissermaßen die Staffage zu der Haupthandlung bilden. Davon aber ist in den dreizehn Jahren, die vergingen, seitdem der erste Roman dieser Reihe, »Die Macht der Drei«, geschrieben wurde, nun doch schon vieles in Erfüllung gegangen, und es lohnt sich wohl, im Einzelnen einmal zu prüfen, was davon bereits Wahrheit wurde. In dem genannten Roman, dessen Handlung im Jahre 1955 spielt, wird unter anderem ein Sportfest des englischen Aero-Klubs am Solent beschrieben. Es heißt dort: »Man schob in das Programm ein Wettfliegen mit motorlosen Flugzeugen ein. Nach dem pomphaften Schauspiel der Luftflotte und dem dämonischen der Tauchflieger kam die Idylle. Von der höchsten Spitze der Uferklippen segelten die einzelnen Flieger ab.


Wie die Schmetterlinge gaukelten sie mit geblähten Tragflächen in der Luft. Hingen oft fast bewegungslos an derselben Stelle, um dann plötzlich die Flügel zu recken und sich wie Albatrosse in weiten Kreisen in die Höhe zu schrauben.« Diese Zeilen wurden im Frühjahr 1921 geschrieben, als sich die Versuche mit motorlosen Flugzeugen noch im allerersten Anfangsstadium befanden und die längste Flugdauer für ein motorloses Flugzeug nur wenige Minuten betrug. Dass man nicht nur in den starken Aufwinden an der Wasserkuppe im Rhöngebirge, sondern fast überall und viele Stunden hindurch mit Segelfliegern in der Luft bleiben könne, lag damals noch außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und Erkenntnis. Wie sich die Segelfliegerei aber inzwischen entwickelt hat, ist allgemein bekannt, und der Autor darf sich, da der Rekord des Segelfluges heut bei sechsunddreißig Stunden liegt, eine erfüllte Prophezeiung gutschreiben. 1000 Kilometer Stundengeschwindigkeit In dem gleichen Roman besitzt die amerikanische Armee Höhenflugzeuge (Rapid Flyers), die in der dünnen Stratosphäre mit 1000 Kilometer Stundengeschwindigkeit verkehren. Der Schnelligkeitsrekord der üblichen Flugzeuge stand, als das Buch geschrieben wurde, bei 300 Stundenkilometer. Heute, dreizehn Jahre später, hat er die 700 Kilometer bereits überschritten. Außerdem aber sind in Deutschland (Junkers) und Frankreich Höhenflugzeuge fertiggestellt, die alle wesentlichen Merkmale der im Roman geschilderten haben. Die Wirtschaftskrise hat die Erprobung der neuen Typen verzögert, aber sie sind doch bereits vorhanden und werden im nächsten Sommer auch fliegen und bald auch ihre 1000 Stundenkilometer erreichen. Auch diese zweite Prophezeiung dürfte also unmittelbar vor der Erfüllung stehen. Die unverstandene Wellenlänge In demselben Roman sagt einer der Helden: »Ich muss leider weiter. Geben Sie telefonischen Bericht! Wellenlänge der Regierungsflugzeuge! Ich gehe nach Washington.« Diese Stelle wurde 1921 von vielen Lesern überhaupt nicht verstanden, und es wurde dem Verfasser sogar nahegelegt, sie in der Buchausgabe fortzulassen. Aber damals gab es ja auch noch keinen Rundfunk und nicht vier Millionen Hörer in Deutschland, die ihre Empfangsapparate täglich auf die Wellenlängen der verschiedenen Sender einstellen. Heute weiß natürlich jeder, dass die Regierungsflugzeuge Empfänger an Bord führen, die auf eine bestimmte Wellenlänge eingestellt sind, um jederzeit Nachrichten aufnehmen zu können. Also auch die dritte Prophezeiung ist in einem Jahrzehnt Wirklichkeit geworden. Schließlich wären aus jenem Roman noch die »Transatlantiks« zu erwähnen, große Überseeflugzeuge, die einen fahrplanmäßigen Verkehr zwischen den Vereinigten Staaten und England unterhalten. Damals musste etwas Derartiges reichlich utopisch erscheinen. Heute haben wir einen regelmäßigen Zeppelindienst nach Südamerika und den Do X, der mit einer Zwischenlandung auf den Azoren einen solchen Dienst nach Nordamerika aufnehmen kann, sobald es die Wirtschaftskrise gestattet, womit Prophezeiung vier als erfüllt gelten darf. Schließlich wählen die Flugschiffe des Romans für den Verkehr zwischen Amerika und Europa den kürzesten Weg über Grönland. Inzwischen hat v. Gronau praktisch bewiesen, dass dieser Weg in der Tat der beste und bequemste ist, also auch hier eine erfüllte Voraussage.

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