Mitte der achtziger Jahre durchforschte ich den Malaiischen Archipel. Jene zahllose Menge von Inseln, die wissenschaftlich als die Überreste eines in grauer Vorzeit versunkenen Kontinents, auf dem auch die Wiege des Menschengeschlechtes zu suchen sein soll, angesprochen werden. Neben gewaltigen vulkanischen Erhebungen, die ohne jedes Küstenland schroff aus dem Meer emporschießen, finden wir dort Koralleneilande, über die eine gebefreudige Natur ihre reichsten Schätze in verschwenderischer Fülle ausgestreut hat. — Leider bringen aber diese paradiesischen Inseln nicht auch herrliche Bewohner hervor. Wenigstens besitzen die in unserer Zeit den Archipel bewohnenden Eingeborenen nur ganz wenige Eigenschaften, die von unserer europäischen Weltanschauung als gut bezeichnet werden würden. Das mag daran liegen, daß die Urbevölkerung seit Jahrhunderten mit Einwanderern durchsetzt wird. Vor allem sind es die Malaien, die auf den Inseln zwischen Neuguinea und der Malakkahalbinsel, neben den Chinesen, als herrschende Rasse auftreten. Die Malaien bilden eine eigentümliche Menschenklasse. Sie sind nicht schön. Ihr Gesicht ist breit und flach. Die kleine Nase hat breite Flügel. Langes, dunkelschwarzes Haar umrahmt das dunkelbraune Antlitz, aus dem große, feurig glänzende Augen leuchten. Die Malaien sind überwiegend Seefahrer. Kühn und unternehmend, verachten sie die Gefahr. Sie scheuen aber auch vor nichts zurück. Ihre ungezähmte Heftigkeit treibt sie nicht selten zu Raub und Mord. Sie leben mit ihren Nachbarn in stetem Kriege und lassen keine Gelegenheit unbenutzt, die jene an Gut oder Leben schädigen könnte. Daß sie zur Ausübung gesetzloser Handlungen jederzeit zu haben sind, bedarf nach dem Gesagten keiner besonderen Erwähnung. Sie sind denn auch auf Schmuggler- und Seeräuberfahrzeugen die gesuchtesten Kräfte, und keiner versteht es wie der malaiische Schiffsführer, die staatlichen Verfolger zu täuschen. Natürlich sind die vornehmen Malaien, die sich unserer Kultur im allgemeinen angeschlossen haben, von dieser Charakteristik ausgenommen. Zur Zeit, in der meine Erzählung spielt, befanden sich nur die großen Sunda-Inseln unter der Herrschaft der Holländer und selbst diese noch in beschränktem Maße. Auf der langen Inselreihe östlich von Java wehrten sich die Ureinwohner mit allen Mitteln gegen das Eindringen der fremden Eroberer. Bali, Lombok, Soembawa, Flores, Allor und selbst Timor, auf dem die Portugiesen schon lange festen Fuß gefaßt haben, leisteten den Holländern tapferen Widerstand. Sie wurden unterstützt durch die malaiischen und chinesischen Barkenführer, die ihnen auf tollkühnen Wegen immer wieder Waffen und Munition zuführten, während die eingeborenen Kaiser und Könige auf Timor durch Geldmittel und Gewahrung sicheren Unterschlupfes das gesetzlose Treiben begünstigten. Seit etwa Zwanzig Jahren sind nun auch die Ostinseln unter die Herrschaft der Holländer gefallen.
Dadurch wurde den blutigen Fehden unter den Bewohnern ein Ziel gesetzt. Die Insulaner beginnen sich an die neuen Herren zu gewöhnen, und schon hört man, daß manchen Inseln bereits die Selbstverwaltung unter eingeborenm Fürsten eingeräumt wird. In Koepang, in dem die Hollander früher nur wie in einer Festung saßen, wohnt jetzt ein Gouverneur. Europäer dürfen sich jetzt auch außerhalb der Stadt, im Reiche des früheren Radja, zeigen. — Mit dieser Ausbreitung ihrer Macht verschwinden die romantischen, aber für alle Beteiligten gefährlichen Schmugglerfahrten, und die tollkühnen Taten todesverachtender Malaien und Chinesen gehören bald der Mythe an. Ich schildere in der vorliegenden Erzählung einige Episoden aus den zahlreichen Unternehmungen eines zur vornehmen Welt des Archipels gezählten Chinesen, der es meisterhaft verstand, andere für sich arbeiten und bluten zu lassen. Die Schilderung der einzelnen Fahrten verdanke ich einem Augenzeugen, den ein widriges Geschick in die Abenteuer der Schmuggler verstrickt hatte, und der die endliche Vernichtung der Bande miterlebte. Zu einem klemm Teil lernte ich das Leben der Schmuggler aus eigener Anschauung kennen, da ich einmal ahnungslos, ein anderes Mal gezwungen kurze Fahrten an Bord von Schmugglerschiffen machte. Der Verfasser Bei unserer Rückkehr aus den Bergen war der kleine Küstendampfer eben abgefahren. Unmutig standen wir auf dem Felsenvorsprung, der in dem Hafenort Pariti, auf der Insel Timor, den einzig möglichen Anlegeplatz bildet. Unsere Blicke verfolgten sehnsüchtig die Rauchfahne des Schiffes, dessen vorzeitige Abfahrt uns für drei lange Wochen an ein Dorf bannte, in dem wir kaum auf ein für Europäer zugeschnittenes Unterkommen rechnen durften. Da ich eigentlich die Ursache unseres verzögerten Eintreffens war, mußte ich meinen Grimm hinunterwürgen. Mein Kamerad aber ließ seinem Zorne freien iauf. Ein kerniger deutscher Rraftausdruck leitete eine Flut von holländischen Unmutsbezeichnungen ein, die im Handumdrehen sämtliche Müßiggänger des Ortes, und das waren wohl alle Bewohner, an unsere Seite brachten. Ein verschmitzt dreinschauender Malaie wagte die Frage: »wollen die Herren nach Kupang (so heißt der Haupthafen der Insel)?« »Nein, nach Mataru auf Allor!« entgegnete ich. Der Malaie pfiff durch die Zähne, besann sich eine Weile und sagte dann: »Das ist nicht möglich!« »Was?« fragte ich. »Daß wir nach Allor hinüber wollen?« »Daß ich mit meiner Prau die Herren fahre.« »Eine Prau hast du?« fiel jetzt mein Gefährte eim »Und das sagst du uns erst jetzt? Wir mieten dein Boot, vorwärts, wo liegt es?« Diese in gutem Malaiisch gesprochenen Worte zeigten dem Malaien, daß er es mit einem Weißen zu tun hatte, der auf den Inseln zu Hause war. Er witterte einen der holländischen Beamten, die damals bereits auf dem portugiesischen Timor festen Fuß faßten. Den durfte er sich nicht zum Feinde machen. »Mein Fahrzeug gehört nicht mir, Tuwán,« erwiderte er ausweichend. »Ich muß noch heute nach Kupang zurückkehren. Dorthin nehme ich die Herren gern mit, wenn es Ihnen angenehm ist.« Da wir in dem größeren Orte eher auf eine uns zusagende Wohnung rechnen durften, gingen wir aus das Anerbieten ein. Etine halbe Stunde später schwammen wir bereit« auf der herrlichen Bai, die von der Hauptstadt ihren Namen entlehnt.
Während der Fahrt suchte unser Barkenführer sich Gewißheit über unsere Persönlichkeiten zu verschaffen. Da wir bald die Unterhaltung in deutscher Sprache wieder aufgenommen hatten, schwanden seine Befürchtungen, Er prüfte uns dagegen auf die Möglichkeit einer Ausbeutung. Eine mit vollen Segeln vor dem Winde dahinrauschende Dschunke bot den Anknüpfungspunkt. Der Malaie tauschte Zeichen mit der Besatzung und ließ so nebenbei die Worte fallen: »Die fährt nach der Insel Allor. wenn wir Glück haben, treffen wir auch die andern Dschunken noch, die morgen nach der Kalabahibucht abgehen.« »Nehmen die Dschunken denn Fahrgäste mit?« fragte ich arglos. »Gegen gute Bezahlung werden sie sich kaum weigern, die Herren in Mataru an Land zu setzen, wenn die Herren befehlen, versuche ich den Kapitän dazu zu überreden.« Ich blickte fragend auf meinen Gefährten, der die entschwindende Dschunke aufmerksam durch das Fernglas betrachtete und die Worte des Malaien anscheinend überhört hatte, »was sagen Sie zu dem Vorschlage, Nottebohm?« Statt aller Antwort schlug er sich auf den Schenkel und rief: »Lust hätte ich schon so eine Fahrt mitzumachen, wenn ich nur wüßte, wie sie schließlich endet. Das da vorn ist nämlich ein Schmuggler.« »Das geht doch die Fahrgäste nichts an.« »Wenn sie beweisen können, daß sie an dem Unternehmm unbeteiligt sind, läßt man sie laufen. Das ist aber nur sehr selten der Fall. Wird eine solche Dschunke von den Rriegsschiffen aufgebracht, dann springt man mit der Besatzung sehr summarisch um. Man hängt sie kurzerhand auf.« »Aber doch die Fahrgäste nicht?« »Mein lieber Freund, wenn die Holländer erst anfangen auf solche Leute Rücksicht zu nehmen, dann wird der Schmuggel bald in höchster Blüte stehen. Die Hälfte der Bemannung würde sich als Fahrgäste ausgeben.«
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