Ehe ich den Herzog Paul von Württemberg, auf seiner kühnen Forschungsreise nach den Rocky mountains begleitete, und ehe ich dann das gefährliche Handwerk eines Pelzjägers ergriff, lebte ich als Wildschütz in Illinois, in dem paradiesischen Landstrich, der sich östlich von St. Louis, über Belleville, Massacoutah und weit über den Kaskaskia-Fluß hinaus erstreckt. Es waren nur Monate, die ich auf diese Weise verbrachte, doch knüpfen sich so reiche Erinnerungen an diese Zeit, daß ich mich oft gern in dieselben versenke, über einzelne Erlebnisse lächele, in anderen dagegen eine ernste und weise Fügung erkenne. Wenn ich jetzt hier, wo wir von undurchdringlichen Wüsten umgeben sind, mir in Gedanken die lieblichen Prairien ausmale, die mit hohen Baumgruppen anmuthig geschmückt, und von klaren Flüßchen und Bächen vielfach durchschnitten, dem Menschen Alles bieten, was in den Grenzen eines zufriedenen Gemüthes liegt, dann erscheinen mir dieselben doppelt schön, und es regt sich auch wohl der Wunsch: diese Wildniß noch einmal mit solchen Gegenden vertauschen zu können. In der Nähe des Kaskaskia-Flusses, dessen Name des Letzte ist, was von einem einst mächtigen Indianerstamm übrig blieb, dehnte ich also meine Jagdzüge nach allen Richtungen hin aus. Wild war reichlich vorhanden. Es wurde mir daher nicht schwer, selbst bei geringer Mühe mehr zu erwerben, als zu meinem Unterhalte nothwendig war, und da ich allein und unabhängig dastand, also auch Niemandem über mein Thun und Lassen Rechenschaft abzulegen brauchte, so entsprach diese Lebensweise vollkommen meinen Neigungen und meiner Lage. Auch wenn ich auf der Jagd nicht glücklich war, fand ich doch stets reichen Genuß auf meinen Streifereien, einen Genuß, den mir die, gleichsam im Festkleide prangende Natur gewährte, und der mich nie fühlen ließ, daß sich Niemand um mich gekümmert haben würde, wenn ich irgendwo mein Ende gefunden hätte; denn ich nannte ja außer meiner Büchse nur sehr wenig mein. Es war in Spätsommer, und ein Tag so schön und sonnig, wie sie nur in jenen Breiten während dieser Jahreszeit vorkommen. Meine Jagd hatte ich beendigt, einige Prairiehühner beschwerten meine Tasche, und mein Stückchen Brod und geröstetes Fleisch wähernd des Gehens verzehrend, schritt ich langsam am Kaskaskia hinauf. Oft wurde mein Pfad durch umgefallene, morsche Baumstämme unterbrochen, doch kleine Umwege beschreibend, gelangte ich immer wieder an den Fluß, dessen glatter Spiegel mich erfreute, dessen malerische Einfassung und zahlreiche Holzklippen ich immer mit neuem Wohlgefallen betrachtete, und zuweilen auch in meinem Taschenbuch, meinem beständigen Gefährten, skizzirte. Unmerklich hatte sich der Abend eingestellt; in der Hoffnung, auf eine Farm zu stoßen, verfolgte ich so lange die eingeschlagene Richtung, bis die dichter werdende Dunkelheit mich zwang, den Schatten des unwegsamen Waldes zu verlassen und mich der Prairie zuzuwenden, die sich in geringer Entfernung vom Flusse hinzog. Sie Alle wissen aus Erfahrung, wie auf den müden Wanderer, der ein Obdach sucht, das Gebelle eines wachsamen Hundes aufmunternd wirkt. Ich fühlte dieses so recht an jenem Abend, als ich fast die Hoffnung schon aufgegeben hatte, irgendwo anders als unter einem grünen Laubdache übernachten zu können, denn kaum vernahm ich in weiter Ferne die gedämpften Laute, welche mir die Nähe eines Gehöftes verriethen, als ich den lieblichen Gesang eines Spottvogels, dessen sanften Melodien ich aufmerksam gelauscht hatte, nicht mehr beachtete, schleunigst meine Richtung änderte, und rüstig dahin eilte, wo ich ohne Zweifel mit Menschen zusammentreffen mußte. Nach einem kurzen Marsch über grasreiche Wiesen versperrte eine rohe Einfriedigung mir endlich den Weg; ich kletterte hinüber, und auf der andern Seite auf einem abgeernteten Stoppelfelde hinschreitend, erreichte ich eine zweite Einfriedigung, welche einen Garten abschloß. Am entgegengesetzten Ende desselben erblickte ich, halb versteckt von dunkeln Laubmassen, ein Blockhaus, durch dessen geöffnete Thür mir auf das Einladendste Licht entgegenschimmerte. Ich war im Begriff über den Gartenzaun hinwegzusetzen, als einige Hunde sich mir mit wüthendem Gebelle entgegenstellten und mir standhaft den Eintritt verweigerten. Zugleich verdunkelte aber auch die Gestalt eines Mannes die erleuchtete Thüröffnung, und ich vernahm die barsche Frage; „Wer ist da?“ „Ein Fremder, der Obdach sucht!“ gab ich zur Antwort, und im nächsten Augenblick wurden die Hunde zurückgerufen. Ohne Zögern sprang ich in den Garten, und wenige Augenblicke darauf stand ich in der Thür, wo ich von einem alten Manne willkommen geheißen, von zwei jungen Burschen mittelst brennender Holzscheite von oben bis unten beleuchtet, und von einem allerliebsten jungen Mädchen neugierig betrachtet wurde. Mit wenig Worten berichtete ich, was mich eigentlich dorthin geführt habe, und knüpfte an dieses die Bitte um ein Nachtlager. „Ein Nachtlager sollt Ihr haben, Fremder,“ antwortete mir der Ansiedler, „doch nicht eher, als bis Ihr gehörig gespeist, und demnächst etwa von dem erzählt habt, was da draußen in der Welt vorgeht.“ Glückliche Menschen, die eine zehn Meilen entfernte Stadt schon „draußen in der Welt“ nennen! so dachte ich, und trat in das von einem schwachen Kaminfeuer erhellte Gemach. Außer den eben genannten Personen erblickte ich in demselben auch noch eine ältliche Frau; sie war die Gattin des alten Farmers, zugleich die Mutter des jungen Mädchens und des einen jungen Burschen, während der andere als gemietheter Arbeiter dort in Brod stand. Mit einer wahren Herzlichkeit wurde ich von allen Seiten wie ein alter Bekannter begrüßt, man drückte mir die Hand, man nöthigte mich zum Sitzen, doch nach meinem Namen fragte Niemand; auch ich erkundigte mich nicht, von wem mir so freundliche Aufnahme zu Theil wurde, ich nahm Alles an, wie es gegeben wurde, und nur, als die Mutter dem jungen Mädchen einige Anweisungen hinsichtlich eines schnell zu bereitenden Mahles ertheilte, erfuhr ich, daß dasselbe Susanna hieß. Die übrigen Namen lernte ich auch noch im Laufe des Abends kennen, doch habe ich sie längst wieder vergessen.
Ich warf also meine Prairiehühner in die Ecke neben dem Kamin, welches zugleich als Küche diente, setzte mich zu beiden Alten und befand mich bald mit ihnen in der lebhaftesten Unterhaltung, die ich durch unschuldige Scherze so würzte, daß der Hausmutter vor Lachen die Thränen über die Wangen rollten, der Vater wohlgefällig mit den Kopfe nickte, die jungen Burschen näher rückten, und die fröhliche Tochter mehrmals den bratenden Speck in Flammen gerathen ließ.
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