Der englische Walfischfänger König Harold kreuzte in der Nähe der Kingmills-Gruppe, ziemlich unter der Linie, auf Spermfische, in der Absicht die Wintermonate hier zuzubringen, um mit Beginn des Frühjahrs wieder nach Norden auf den Fang des rechten Walfisches aufzulaufen. Vergebens waren sie aber jetzt monatelang hin- und hergefahren und durch die sonst besten Jagdgründe für diese Fische wieder und wieder auf- und abgesegelt. Die Ausgucks in den Tops der Masten, die dort oben den ganzen Tag gehalten werden, um nach etwa auftauchenden Fischen auszuschauen, und einander zu gewissen Stunden ablösen müssen, blieben still und stumm, und wenn wirklich einmal ein Ruf kam, glaubte schon niemand mehr daran. Solche Meldungen hatten sich bis jetzt auch fast jedes Mal als ein nicht zu gebrauchender Finnback oder vielleicht eine school kleinerer Braunfische ausgewiesen, auf die man nicht Jagd machen wollte. Die Sonne brannte dabei heiß und sengend auf das ihren vollen Strahlen preisgegebene Deck nieder; und das Schiff, so still und reinlich, mit den kleingerefften Segeln in der leichten Brise, sah gerade so aus, als ob es hier an einem freundlichen, aber etwas langen Sonntagnachmittag zum Vergnügen herumfahren und eben keinen andern Zweck, kein bestimmteres Ziel kenne. Die Leute haben dabei natürlich immer ihre Arbeit: Segel müssen ausgebessert, das Takelwerk, stehendes wie laufendes, muss nachgesehen werden; die Eisen und Lanzen für den Fang des Fisches selber dürfen nicht rosten, und den Bootssteuerern obliegt die besondere Pflicht, sie blank und im Stand zu halten. Auch der Böttcher an Bord hat seine Arbeit, mit den Fässern zu einem etwaigen Fang gleich bereit zu sein; und der Zimmermann macht sich eine Beschäftigung an den zur Vorsorge mitgenommenen Booten, hier und da morsche Stellen daran zu finden und neue Stücke einzusetzen. Aber in der ganzen Sache ist kein Leben, keine wirkliche Tätigkeit; man sieht, dass die Leute, die sich schon monatelang auf dieselbe Art herumgetrieben, eben nur arbeiten, um nicht müßig zu stehen, und von der Arbeit fort schweift bei allen der sehnsüchtige Blick über die leicht gekräuselte Meeresfläche, in der allerdings vergeblichen Hoffnung, vom Deck aus den aufgeblasenen Strahl eines Fisches zwischen dem Blitzen der Wogen zu erkennen. Wäre aber wirklich etwas Derartiges in Sicht, so hätten es die Leute oben in den Masten schon lange angeschrien. »There she blows!« (Dort bläst sie.) Wie auf Kommandowort ruht jede Arbeit – der Böttcher wirft seinen Hammer, der Tischler seinen Hobel hin, und der Kapitän, der unten in seiner Kajüte auf dem Sofa gelegen und gelesen oder geschlafen hat, um die entsetzlich langweilige Zeit eines solchen müßigen Umherfahrens zu töten, springt die Kajütstreppe hinauf, um zu windwärts und nach dem Mann oben im Top zu sehen und die Details über die »aufgekommenen« Fische erfahren zu können. »There she blows!«, ruft der Mann oben wieder – und blow – blow – blow – setzt er langsam und gedehnt hinzu, als mehrere Strahlen nacheinander aufschießen, jeden Strahl bezeichnend. »Wo hinaus zu?«, lautet der Ruf vom Deck, und der ausgestreckte Arm des Ausgucks bezeichnet die Richtung; aber der Arm deutet zu windwärts, d. h. gegen den Wind an, und die Bootssteuerer rufen in wilder Eile ihre Bootsmannschaften zusammen, die Ersten zu sein, die fertig in See sind – immer eine ehrenvolle Auszeichnung. Das kleine Wasserfass wird gefüllt, die Butte mit dem aufgerollten Tau für die Harpunen, die auf einem Gestell an der Want dicht über dem Boot gestanden, damit sie dieses durch ihre Schwere nicht schädige, wird hineingelassen, das Boot selber gleitet unter den Krähnen nieder aufs Wasser. Die Leute folgen, wie Katzen an den Außenwänden des Schiffes niederkletternd, die Riemen werden eingelegt, und wie der Harpunier oder boats-header seinen Platz hinten am Steuerriemen eingenommen, stoßen sie ab, und der Bug des scharf gebauten leichten kleinen Fahrzeugs strebt schäumend und die Flut an beiden Seiten zurückwerfend der bezeichneten Richtung zu. Kommen die Fische in seewärts, d. h. unter dem Wind auf, dann können ihnen die Schiffe selber mit vollen Segeln bis zu einer gewissen Entfernung folgen, ohne sie scheu zu machen, und die nun rasch ausgesetzten Boote gleiten ebenfalls mit ihren Segeln geräuschlos und unbemerkt an ihre Beute heran; die Jagd ist in dem Fall auch immer weit schneller gemacht und sowohl sicherer als auch weit weniger mühsam. Wollte das Schiff aber zu windwärts aufkreuzen, um den Fischen den Wind abzugewinnen, so würde dadurch viel Zeit verloren gehen und die Beute jedenfalls nur höchst selten eingeholt werden. Das Aufrudern ist deshalb, wenn auch das Mühsamste, doch gewiss in diesem Fall das Schnellste und Sicherste, und das Schiff folgt dann mit der zurückgelassenen Mannschaft, so rasch es eben kann, seinen Booten, um diese nach vollendeter Jagd wieder auf- und einen etwa geworfenen und getöteten Fisch langseit zu nehmen. Die vier Boote des König Harold ruderten denn auch, so rasch sie die elastischen Riemen vorwärts treiben konnten, dem Wind gerade in die Zähne, und kamen nach einer etwa halbstündigen wackern Arbeit in Sicht der ersten »Strahlen« der dort wahrscheinlich spielenden und bald auf-, bald untertauchenden Fische. Von Bord des Walfischfängers wurde ihnen bis dahin mit einem an einer Stange befestigten und schwarz bemalten runden Korbe das Zeichen gegeben, nach welcher Richtung die Fische sich wandten. Ein dort postierter Matrose musste diesen nämlich, der auf sehr weithin sichtbar ist, hinaushalten, und die Boote richteten oder änderten danach ihren Kurs.
Ein eigener Wetteifer herrscht bei solcher Fahrt nicht allein unter den Bootssteuerern und Harpunieren, wer zuerst an einen Fisch »festkommt«, sondern unter der ganzen Mannschaft. Es wird zur Ehrensache, welches Boot den ersten glücklichen und auch einträglichen Wurf getan, indem bei solcher Jagd alle, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen hinunter, auf Anteil ausgehen, und die Leute tun gewiss ihr Äußerstes, um nicht hinter den anderen zurückzubleiben. Die drei schnellsten Boote hatten denn auch heute wieder die beste Aussicht, bald in Wurfnähe zu kommen, während das vierte, das ein junger, tollköpfiger Ire befehligte, trotz der wirklich verzweifelten Anstrengung seiner Mannschaft nicht imstande war, ihnen nachzukommen. Als sich in den ersten Booten die Bootssteuerer schon zum Harpunenwurf fertig machten, war es wohl noch eine ganze Kabellänge hinter diesen zurückgeblieben. Gerade da ging rechts von ihnen, aber freilich noch eine weite Strecke entfernt, ein einzelner Strahl auf, und wenn sich auch die Boote nicht gern zu weit voneinander trennen, um im Fall der Not einander Hilfe leisten zu können, sah doch der hinten an seinem Steuerriemen stehende junge Ire kaum den einzelnen Strahl, der ihm auch nach der Richtung zu Fische versprach, als er den Bug seines Bootes blitzschnell herumwarf und, von den übrigen Booten ab, dem neu aufgetauchten Wild nachsagte. In dem Augenblick hatten die anderen Boote zu viel mit sich selber zu tun, um darauf zu achten. Die rudernden Matrosen aber, die mit dem Gesicht nach rückwärts im Boot saßen und den veränderten Kurs ihrer Kameraden sahen, konnten sich leicht denken, dass dort ebenfalls Fische aufgekommen waren, und hatten nicht das Mindeste dagegen, einen Konkurrenten auf ihrer Hetze loszuwerden. Überdies befanden sie sich näher bei den Fischen, als sie im Anfang selber gedacht, denn als diese plötzlich nach unten gegangen waren und eine Zeit lang fortblieben, während die Boote, so rasch sie konnten, ihren Kurs beibehielten, tauchten sie plötzlich kaum dreißig Schritt vor ihnen wieder empor, und ein Fisch kam sogar in Wurfnähe von dem ersten Harpunier auf, dessen Bootssteuerer denn auch sein Eisen augenblicklich an ihm festwarf. Die anderen beiden kamen ebenfalls fest, ehe sie zehn Minuten gelaufen waren; das Eisen des zweiten Bootes riss aber wieder aus und der Fisch ging tief, sodass das zweite Boot, jetzt außer dem Bereich der anderen Fische, dem dritten folgte und dessen Beute mit zu sichern suchte, was ihm auch nach einiger Anstrengung gelang. In voller Flucht gingen aber die festgekommenen Fische gerade nach Norden auf, die Boote hinter sich dreinreißend, dass die Wellen an ihrem Bug hoch emporschäumten, bis es dem dritten Harpunier zuerst gelang, seine Lanze hinter der Finne seines Fisches einzuwerfen und ihm den Todesstoß zu geben. Der erste Harpunier wurde wohl noch eine englische Meile weit mit fortgenommen, tötete aber den seinigen dann ebenfalls und blieb auf seinen Rudern liegen, das Schiff zu erwarten. Mit dem gewaltigen Fisch im Schlepptau wäre es ihm nicht möglich gewesen zu rudern. So weit hatten sie sich übrigens von ihrem Schiff entfernt, dass sie den Rumpf schon nicht mehr über Wasser sahen, und mühselig genug musste dieses jetzt zu ihnen gegen die schwache Brise aufkreuzen, wieder und wieder über Stag gehend, um dem Nordost die verlorenen Meilen abzugewinnen. Die drei Boote sahen sich jetzt auch, freilich vergebens, nach dem vierten um, das ihnen ganz aus Sicht gekommen, und suchten rund um sich her das vielleicht gesetzte hellere Segel desselben irgendwo zu erkennen. Es blieb verschwunden, und sie trösteten sich damit, dass sie es von Bord und den Masten aus wohl jedenfalls im Auge behalten haben und genau die Richtung kennen würden, die es genommen.
.