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Aus dem Leben eines sächsischen Husaren – Theodor Goethe

Die vorliegenden Blätter, auf welchen ich die Erinnerungen aus einem vielbewegten Soldatenleben in den Jahren 1809, 1812 und 1813 niederschrieb, waren ursprünglich blos für meine Familie bestimmt. Da ich jedoch bedachte, daß selbige insofern für das Publikum wohl einiges Interesse haben könnten, als solche auch meine Beobachtungen und Erlebnisse in dem verhängnißvollen russischen Feldzuge enthalten, so entschloß ich mich, diese Blätter dem Drucke zu übergeben, um so mehr, als noch keiner von den einzelnen Kriegern, welche mit dem sächsischen Husarenregimente nach Rußland zogen, seine Erfahrungen und Anschauungen der Oeffentlichkeit übergeben hat. Von meinem damaligen Standpunkte aus, als Fourier, habe ich zwar nur Gelegenheit gehabt, alles das genau beobachten zu lönnen, was sich bei dem gedachten Regimente und in dessen nächsten Umgebungen zugetragen hat; doch habe ich auch nebenbei noch der Stellungen und Bewegungen anderer Truppentheile gedacht, soviel mir davon bekannt geworden ist. Diese, der bessern Uebersichtlichkeit wegen, in der Form eines Tagebuches erfolgte Darstellung soll ja aber auch keine Geschichte des russischen Feldzugs sein, sondern blos ein Bruchstück derselben bilden. Mit Zuhülfenahme meines treuen Gedächtnisses, welches alle Begebenheiten in sich frisch aufbewahrt hat, und der von mir aufgezeichneten Notizen habe ich die Ereignisse in Rußland so dargestellt, wie sie sich wirklich dort zugetragen, dabei aber mich von allen politischen Reflexionen fern gehalten. Seit dem verhängnißvollen Feldzuge in Rußland sind nun zwar schon viele Jahre verflossen; es werden aber Mittheilungen aus demselben auch jetzt noch nicht ohne Interesse sein, da ein solcher Feldzug, welcher so viele Menschenleben kostete und in dem die Krieger nicht allein mit dem Feinde, sondern auch mit großer Kälte und Entbehrungen aller Art zu kämpfen hatten, immer denkwürdig sein und bleiben wird. Halle an der Saale. T. Goethe. Erster Abschnitt. Engagement beim sächsischen Husarenregimente. — Marsch nach Warschau im Jahre 1808. — Feldzug 1809 in Polen und Sachsen. — Den 24. März 1789 wurde ich zu Weißensee in Thüringen geboren, wo mein Vater, August Christoph Goethe, Sergeant bei dem dort in Garnison stehenden Infanterieregimente Prinz Clemens war. Derselbe stammte aus Wiehe, einer kleinen Stadt in der sogenannten güldenen Aue gelegen, wo er im Juli 1749 geboren ward und woselbst dessen Vater, Gottfried Christian Goethe, die Profession eines Färbers betrieb. Mein Vater, in fast gleichem Alter mit dem Dichter Johann Wolfgang Goethe in Weimar, welcher letztere am 28. August 1749 in Frankfurt geboren und 1782 in den Adelstand erhoben wurde, mußte mit demselben verwandt gewesen sein; in welchem Grade, kann ich jedoch nicht näher bestimmen und nur so viel angeben, daß mein Vater, wie ich noch Schulknabe war, oft von Verwandten sprach, welche wir in Frankfurt am Main hätten. Diese Verwandtschaft erscheint auch um so wahrscheinlicher, als nach einem Aufsatze im Frankfurter Conversationsblatte vom 28. August 1849. No. 204. Seite 8l4 des Dichters Großvater, Friedrich Georg Goethe, am 7. September l657 in Artern geboren ward, wo dessen Vater als Hufschmiedemeister lebte, die Vorältern meines Vaters aber in Wiehe, welche beide Orte nur 2½ Stunden auseinander liegen, wohnten, auch der Geschlechtsname: „Goethe“ nach dieser Schreibart in beiden Orten nicht weiter vorkommt. Mein Vater, welcher, nachdem er vom Militair abgegangen war, eine kleine Anstellung bei der Accise in Lobstädt und später in Borna bekommen hatte, starb zeitig, wie ich noch bei dem Accisinspertor Zeidler in Kirchberg war, wohin ich gleich nach meiner Confirmation gebracht wurde, um mich dort für das Expeditionsfach auszubilden.


Später kam ich in die Expedition des Acciscommissarius Porst in Pegau, wo ich aber nur zwei Jahre blieb, da meine Freiheit dort sehr beschränkt war. Denn außer den Geschäftsgängen in der Stadt durfte ich in der Woche nie ausgehen oder einen Spaziergang machen; nur Sonntags nach der Kirche war mir erlaubt, zwei Stunden des Nachmittags mich im Freien zu bewegen. Diese klösterliche Eingezogenheit verleidete mir den längern Aufenthalt in diesem sonst sehr achtbaren Hause. Da ich nun viel Lust zum Militair in mir verspürte, so schrieb ich an den Standartjunker Nerrlich, welcher bei den Husaren in Wiehe stand und meinen verstorbenen Vater gekannt hatte, daß ich Willens sei, mich bei dem Husarenregimente zu engagiren, wenn Aussicht vorhanden wäre, daß ich als Fourier dabei angestellt werden könne. Nerrlich hatte meinen Brief an den Oberst des Regiments Damm von Pflugk abgegeben worauf mir der Rittmeister Freiherr von Czettritz schrieb, daß er von dem Obersten, welchem meine Handschrift gefallen, den Auftrag erhalten habe, mir zu eröffnen: daß zwar für den Augenblick die Stelle eines Fouriers im Regimente nicht offen sei, ich jedoch bei der ersten Erledigung einer solchen berücksichtigt werden solle, bis dahin aber als Husar mich engagiren müsse, um den Dienst kennen zu lernen. Wollte ich daher hierauf eingehen, so möchte ich sobald als möglich nach Artern kommen und mich persönlich bei ihm melden. Die in diesem Schreiben mir eröffnete Aussicht und die vorherrschende Neigung zum Soldatenstande bestimmten schnell meinen Entschluß; ich legte daher den empfangenen Brief meinen Principal gleich vor und bat um meine Entlassung. Derselbe war aber eben nicht sehr erfreut über mein Begehren und suchte mich durch eindringliche Vorstellungen von meinem gefaßten Entschlusse abzubringen, indem er mir auseinandersetzte, daß zwar der Soldatenstand äußerlich glänzend erscheine, aber sehr viele Schattenseiten habe, namentlich der Soldat im Kriege großen Gefahren ausgesetzt sei und so mancherlei Beschwerden ertragen müsse. Ferner, daß, wenn ich noch einige Jahre in seiner Expedition bliebe, er mir durch seine Vermittelung eher zu einer festen Anstellung bei der Accise verhelfen könne, als wenn ich Soldat würde. Doch alle diese wohlgemeinten Vorstellungen konnten mich von dem einmal gefaßten Entschlusse nicht abbringen, denn die jugendliche Phantasie war sehr geschäftig, mir das Bild eines Husaren recht reizend darzustellen. Hätte ich damals ahnen können, welche Drangsale mich später im russischen Feldzuge erwarteten, so hätte ich diesen Vorstellungen gewiß mehr Gehör geschenkt, was ich, daß es nicht geschehen in diesem unglücklichen Feldzuge oft bitter bereut habe. Da nun der Acciscommissair Porst sah, daß alles Zureden vergeblich sei, so entließ er mich denn endlich, nachdem er mir ein Dienstzeugniß ausgestellt hatte, worin unter Anderem auch gesagt wurde: „daß, nachdem ich mir nützliche Kenntnisse erworben und mich für das Expeditionsfach brauchbar gemacht hätte, ich nun meiner Neigung zum Militair folgen wolle.“

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