»Ein Sohn oder eine Tochter?« fragt der Vater die Hebamme, wenn seine Frau zum erstenmal ins Wochenbett gekommen ist; denn zum zweitenmal sieht ers ihr schon am Gesicht an. Und sie läßt ihn ausfragen, wenn es ein Mädchen ist, und ruft, wenn er an das Wort oder kommt: ein Sohn! »Auch vier Kreuzer wegen der Danksagung in der Kirche«, sagt der Landpriester, und der Vater bezahlt zehn, wenn es ein Junge ist. »Es kommt doch zum Besten der Kirche«, spricht er. Ist es aber ein Mädchen: so sucht er, obgleich es auch zum Besten der Kirche kommt, aus allen Taschen Scheidemünzen zusammen. »Hier«, seufzt er, »sind vier Kreuzer. Gott schenke uns einen sanften Regen, denn, in Wahrheit, das Getreide steht schlecht.« Ein Frauenzimmer, wenn es vierzehn Jahre alt ist, fragt die Amme: »Ist es ein Söhnchen?« –: »Ja, gnädiges Fräulein.« –: »Ein niedliches Kind!«, und schnell ist es in seinen Armen. Es faßt es, wo man gemeinhin allen Kindern hinzufassen pflegt, und dann noch etwas weiter. Warum das gnädige Fräulein das Kind liegenläßt, wenn die Amme gesagt hat: »Ein Mädchen!«, kommt daher, weil es vierzehn Jahre alt ist. Wozu dieser Anfang? Guter Freund, frage lieber, wozu diese ganze Schrift: denn in diesem Anfang liegt alles. Ist der gut, so ist mehr gut. Ist er schlecht, so gebe ich für die ganze Schrift keinen Dreier. Ein Autor ist ein geistiger Vater und schreibt Söhne und Töchter, wie sie der leibliche zeugt. Aber zu bestimmen, von welchem Geschlecht ein Buch sei, ist so schwer, daß sich die kritischen Hebammen oft jahrelang darüber streiten. Damit es indessen Seiner Wohlehrwürden nur wissen, so gebe ich für die Danksagung keinen Kreuzer aus. Für mein Kind darf nicht gedankt werden, und hiermit: Gott befohlen. Das erste Kapitel Klagen über die Vorurteile beim Heiraten Traum zur Abhelfung Wer Kegel schieben will, muß eine Bahn haben, wer ein Haus baut, einen Grund legen, wer nicht sät, kann auch nicht ernten, und wer kein Feld hat, kann nicht säen. Die Vorurteile, die bei den Ehen zur anderen Natur geworden sind, machen die Menschen untauglich, die Rolle zu spielen, die sie hätten spielen sollen oder können, und ebendiese Vorurteile sind auch mehr schuld an der Entvölkerung als ägyptische Dienstbarkeit, Auflagen im Staat und die Eitelkeitssorge der Weiber, ihre Schönheit durch Schwangerschaft zu verderben. Die Gesetze bestimmen die Ehefähigkeit: die Natur bestimmt sie noch genauer. Allein was helfen alle diese Bestimmungen und Ausnahmen, wenn man durchaus nicht das sein darf, was man ist? Bei den Römern war eine Mannsperson im vierzehnten Jahr vaterfähig, und ein Mädchen konnte schon im zwölften Jahre ja sagen und dieses Ja auch beweisen. Die Römer waren der Meinung der Natur. Heutzutage ist man anderer Meinung. Man ist nicht nur später mannbar, sondern darf auch das nicht sein, was man ist, wenn man die gesetzmäßigen Jahre erreicht hat. Es ist eine unnatürliche Mode, die man Tugend nennt, erfunden worden, die vorzüglich Mannspersonen zur Last fällt.
Nach ihr darf man nicht eher heiraten, als bis man kaum mehr dazu fähig ist. Man verbindet nicht Personen mit Personen, sondern Pferde und Wagen mit Pferden und Wagen, Dukaten mit harten Talern, ein Landhaus mit einem städtischen Palast. Das Obst bricht ein jeder ab, wenn es reif ist, allein ein junger Mensch muß nicht nur achtzehn oder dreiundzwanzig Jahr alt sein, sondern er muß auch zweitausend Reichstaler Einkünfte haben, von Adel sein, just sechzehn Ahnen haben, warten, bis sein Vater tot ist, um dessen Haus zu beziehen, sechs Pferde haben, auf Reisen gewesen sein, fünf Leute in Livree halten und was weiß ich, was alles vorhergegangen sein muß, ehe ihm erlaubt wird, bei einem Mädchen zu wachen. Nichts ist unnatürlicher, als sich zu einer Sache so lange vorzubereiten, die in so kurzer Zeit geendigt ist. Man beschneidet uns die Flügel, um desto besser zu fliegen. Die Weisheitszähne, die erst im zwanzigsten Jahre keimen sollen, sind, wie mich dünkt, zum Heiraten nicht nötig. Wir heiraten heutzutage leider nicht, um zu heiraten, sondern um das Andenken derer zu begehen, die ehemals geheiratet haben. Es ist die Hauptpflicht der Eltern, ihren Kindern zur Liebe Gelegenheit zu verschaffen. Die Liebe ist der Stimmhammer des Herzens und setzt dem Ehrgeiz und jedem anderen Geiz oder Laster (welches einerlei ist) Ziel und Maß. Sie macht gefällig, mitleidig und Menschen zu Menschen. Sie ist die Experimentalmoral, so wie es eine Physik dieser Art gibt. Unsere Verfassungen der Religion und des Staates erlauben uns in der Liebe kein Vergnügen ohne Nutzen. Die Eltern müssen daher auf Mittel denken, so geschwind, als es sich tun läßt, die Kinder zu verheiraten oder, mit anderen Worten zu sagen: aus der Not eine Tugend zu machen. Wer Kinder zeugen will, muß selbst kein Kind mehr sein, sagt man, allein: gibts wohl ein ernsthafteres Geschäft als dieses in der Welt? Und müßte man nicht eben dadurch die Volljährigkeit erlangen, wenn man heiratet? Ich glaube, man kann eher Theologe, Richter oder Arzt spielen als Vater. Dieses letzte ist man nur. Aristoteles will, daß man im fünfunddreißigsten Jahre heiraten soll, Plato, daß es nicht vor dem dreißigsten geschehe, allein ein anderes ist sollen, ein anderes können. Die alten Deutschen hielten dafür, daß ein Mann dreißig Jahre alt sein müsse, allein das waren auch die alten Deutschen, die wir jetzt nicht mehr sind. Wer jetzt dreißig Jahre alt ist, ist ein alter Deutscher im anderen Verstande, denn ein jeder vermutet von ihm, daß er im Zölibat bleiben werde. Je aufgeklärter die Zeiten sind, je zeitiger werden Mädchen und Jünglinge reif. Von diesem Punkt fängt die Aufklärung der Zeiten an, denn er allein belebt und macht Mut. Er ist das Salz, ohne welches keine Handlung Geschmack hat. Von einem Verschnittenen ist niemals eine erhabene Tat geschehen. Er muß sich aufs Singen so wie der Kapaun auf schönere Federn einschränken. Die Israeliten sind klein gewesen, sagt man, weil sie so zeitig geheiratet haben, allein ich sehe keinen Nachteil von kleinen Bürgern ein. Wenigstens sind sie besser als gar keine.
Kleine Soldaten sind, wie mich dünkt, vorteilhaft zu brauchen. Feinde, die groß sind, schießen entweder über sie weg, oder sie müssen sich bücken. In beiden Fällen gewinnen die Kleinen. In Rußland, wo die Sonne stärker wirkt, wird alles in zwei Monaten reif. Ist es nicht schade, daß das erste Glas vom Jüngling (denn wie soll er es anders machen?) einer Buhlschwester zugebracht wird und die Hefen für ein ehrliches Mädchen aufbehalten werden? Und wer kann es diesem verdenken, wenn es sich zu seiner Zeit nach einer frischen Flasche umsieht? Ein Licht steckt das andere sehr leicht an, und man könnte annehmen, daß Genies von einem noch ungeschwächten Vater gezeugt werden müssen. Wenigstens sind die ersten Kinder von jeher immer die besten gewesen. Kein Wunder, daß uneheliche gemeinhin die besten Köpfe sind. Auch die Gestalt des Leibes ist bei den ersten Kindern schöner, welches uneheliche Kinder ebenfalls beweisen. Die Eindrücke, die ein paar runzelvolle Leute aufeinander machen, können nichts Regelmäßiges hervorbringen. Die Vorzüge, die man in alten und neuen Zeiten der Erstgeburt verstattet, würden sich vielleicht hieraus erklären lassen. In Frankreich ist der älteste Sohn der Erbe der Güter, der zweite wird Soldat, und der dritte wird das, was in allen Ländern der dritte Sohn werden sollte: ein Geistlicher. Wollt ihr noch weiter zählen, so werdet ihr nicht nur in Frankreich, sondern beinahe überall finden, daß die jüngsten, oder Kinder der Pflicht, gemeinhin im Hospital sterben. Ist es nicht etwas Widersinniges, daß ein Mann, den der Staat ehrt, der über das Vermögen und das Leben der ganzen Familie zu erkennen das Recht hat, sich in diesem ganzen Stück dem Urteil einer Person aus derselben, Vater, Mutter, Base usw., unterwerfen muß? Man bedient sich, um die Schwierigkeiten, die einem Ehelustigen gemacht werden, in ihrem ganzen Umfang zu zeigen, des Worts: anwerben, welches eigentlich: im Schweiße des Angesichts eine Sache treiben heißt. Anwerbung, heißt es indessen in einem bewährten Sprichwort, macht keine Verbindung. Wenn also gleich die Rekrutin ja sagt, so muß dennoch ein Tag anberaumt werden, an welchem die Sache näher erwogen wird. Alsdann kommt die Familie zusammen, wobei die Weiber, die bei den Römern kein Wort mitzureden hatten, nicht nur Sitz und Stimme haben, sondern auch wegen ihrer Träume in Ansehen stehen. Oft wird das Ja nur unter dem Vorbehalt des Vorkaufsrechts gegeben. Es gibt Verlobungen mit Bedingungen, und wenn das Angeld, welches gemeinhin in einem Ring besteht, gegeben worden und das Aufgebot geschehen ist, so kann endlich nach allen diesen Fristen (und nachdem sich noch die ganze Familie neu gekleidet und eine Schar von Brautführern sich geputzt hat) die Braut mit dem Manne ziehen. Man wundert sich, warum bei diesen Weitläufigkeiten dem Bräutigam nicht alle Lust vergeht. Allein gemeinhin pflegt sich derselbe schadlos zu halten. Er macht sich während dieser Zeit mit der Kammerjungfer bekannt und übt sich in einer Sache, welche die besondere Art hat, daß man in ihr ohne Übung am stärksten ist. Ich weiß nicht, ob jemand von meinen Lesern den Herrn von H–:y kennt. »Nein, mein Herr von B–:ß, meine Tochter ist nicht für Sie«, waren seine ersten Worte.
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