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Reise durch Schweden – Ernst Moritz Arndt

Ich bin also in Schweden. Wie ich im Herbst 1803 das Land durchflogen und nach Stockholm gekommen bin, was ich nachher in der Hauptstadt gemacht habe, von diesen Abentheuern und Geschichten schweig‘ ich. Ehe ich mich nun weiter auf meinen langen Weg begebe, will ich erzählen wie man in Schweden reiset, und zugleich eine kurze Geschichte der ganzen Einrichtung zur Beförderung der Reisenden und der Posten liefern. Was ich sonst darüber bei teutschen und andern Reisenden gelesen habe, hat nur immer einen sehr verwirrten Begriff davon gegeben. Zum Theil verstanden sie nichts von der Sprache und berichteten aus einem dunklen Verständniß oder aus eben so dunkeln Erzählungen, zum Theil erlauben sie sich offenbare Verdrehungen und Schmähungen der Bosheit, wie der saubere Acerbi, der allen Ausländern in Schweden so vielen Schaden gethan hat; zum Theil auch schwatzen sie aus vorgefaßten Meinungen und Vorurtheilen, und kommen mit unreifen Vorschlägen, die für Schweden und sein Lokale und Klima nicht passen. Man kann bei Torneå nicht reisen wollen, wie bei Rom, noch längs der Indalself, wie längs der Seine, obgleich man um Stockholm besser reiset, als um Rom und längs der Göthaelf besser, als längs der Seine und dem Rhein. Es giebt in Schweden keine gewöhnliche fahrende Posten, sondern bloß reitende oder leicht fahrende Briefposten mit einem Pferde. Man muß also, wenn man reiset, das thun, was man in andern Ländern nennt sich der Extraposten bedienen. Eine andere Art fortzukommen giebt es hier nicht, diese Art ist aber gar nicht theuer in Vergleichung mit den übrigen Ländern Europens; doch ist die Einrichtung dabei etwas anders und diese will ich kurz beschreiben. Die Einrichtung heißt Skjuts, Skjutsning. Für die Posthäuser anderer Länder sind in Schweden sowohl in den Städten als auf dem Lande ähnliche Häuser und Höfe unter dem Namen Gästgifvaregårdar eingerichtet. Diese haben besondere Freiheiten und Immunitäten, kleine Vortheile an Wiesen und Äckern, andere zufällige nicht mitgerechnet. In den volkreicheren Provinzen und an den größeren Landstraßen bestehen sie oft aus recht ansehnlichen Gebäuden mit mehreren tapezirten Zimmern, Spiegeln und Betten zum Logiren; für die Wirthschaft und die Pferde und Leute sind Nebenhäuschen, Scheunen und Ställe. Der Inhaber solcher Häuser heißt Gästgifvare. Ihm liegt es ob, für die Fortschaffung und Bequemlichkeit der Reisenden zu sorgen, den Müden, Kranken, Übernachtenden für billige Bezahlung Zimmer, Betten, Essen zu reichen, kurz Fremde und Eingeborne mit der Höflichkeit, Gerechtigkeit und Billigkeit zu empfangen und zu bedienen, welche seiner Nation so eigen ist. Er ist eine Ähnlichkeit von dem, was man sonst Posthalter nennt, und doch ist er kein rechter Posthalter; denn er hält nicht die Pferde, sondern nur einige, oft gar keine. Die schwedischen Bauern sind die eigentlichen Posthalter und hier komme ich auf das Unterscheidende der Einrichtung. Es giebt nemlich für den Dienst der Reisenden dreierlei Pferde, Hållpferde (Hållhästar), Gästgifvarepferde (Gästgifvarenshästar), und Reservepferde. Ihr Dienst und ihre Bedeutung ist folgende. Nach Verhältniß seiner Lage und der gewöhnlichen Zahl der Reisenden sind für jeden Gästgifvaregård für jede 24 Stunden eine bestimmte Anzahl Pferde angeschlagen. Diese nennt man Hållpferde oder Stationenpferde. Zu ihren bestimmten Stunden finden sie sich auf dem Gästgifvaregård ein, und leisten ihren Dienst, so wie die Reisenden ankommen, oder, wenn sich keine finden, gehen sie nach Ablauf der 24 Stunden ungebraucht wieder nach Hause, indem andre an ihre Stelle kommen. Die gewöhnliche Zeit der Ablösung ist Abends 6 Uhr, in einigen Provinzen auch 12 Uhr Mittags. Diese Hållpferde sind aus den von dem Gästgifvaregård und der Landstraße abgelegenen Dörfern, und haben oft einen Weg von 1 bis 3, ja in einigen Provinzen von 4 bis 5 Meilen. Sind die Hållpferde ausgegangen, so tritt die Schuldigkeit des Gästgifvare ein, mit seinen eigenen Pferden zu skjutsen, und sind auch diese fort, so kömmt es endlich an die Reserve.


Diese Pferde sind in denjenigen Dörfern angeschlagen, welche zunächst um den Gästgifvaregård liegen, und sie müssen sogleich zu jeder Stunde bereit seyn, wie der Dienst von dem Gästgifvare oder seinem Stellvertreter angesagt wird. Dieser Stellvertreter, der sich auf den ordentlichen Gästgifvaregårdar und auf den besuchteren Landstraßen gewöhnlich findet, heißt Hållkarl, der Diener und Beförderer der Reisenden, der Bestimmen und Schlichter der Pflichten und Streitigkeiten zwischen den Skjutsbönder unter einander, oder zwischen den Reisenden und den Skjutsbönder. Skjutsbonde heißt nemlich der Bauer oder Bauerknecht und Junge, der mit den Pferden zu seinem Gästgifvaregård kommt Solange Hållpferde und Skjutspflichtige Gästgifvarepferde da sind, braucht der Reisende sich keine Minute länger aufzuhalten, als was zum Abschirren der einen, und zum Anschirren der andern Pferde nöthig ist. Sind diese aber ausgegangen, so muß er länger oder kürzer warten, je nachdem die Dörfer, woher die Reserve kommen soll, näher oder entfernter liegen. Das kann in den verschiedenen Provinzen von einer Viertel-, einer halben Stunde sich zu 2-3 Standen ausziehen. In den bevölkerten Provinzen und an den großen Landstraßen wartet man selten über eine Stunde auf die Reserve. Im Süden und in der Mitte von Schweden sind die Stationen oder Håll von ¾ bis 2, seltner 2½, höchstens 2¾ schwedischen Meilen, im Norden und in Finnland auf einigen Stellen 4 bis 5 Meilen. Damit indessen der Reisende nicht betrogen werde und der Gästgifvare oder Hållkarl keine Unordnung oder Durchstecherei machen könne, sind gute Polizeiordnungen. In manchen Provinzen sind bei jedem Håll an besonderen Tafeln die Meilen und die Gebühr für jedes Pferd, für Brücken u.s.w. aufgezeichnet. In allen aber ist von der Landeskanzlei der Provinz das Schema eines Tagebuches eingeschickt, worin gewöhnlich als Vorrede die gegenseitigen Pflichten und Rechte des Gästgifvare, der Skjutsbönder und Reisenden gedruckt zu lesen sind. Die Anzahl der Pferde, der Stationen, nach welchen geskjusst wird, und ihre Entfernung sind gedruckt oder geschrieben. Unter besondern Rubriken wird die Zeit der Ankunft und Abreise, die Zahl der Pferde und welche Pferde der Reisende bekommen, eingezeichnet; eine weite Kolumne ist den Beschwerden desselben über den Skjutsbonde, sein Geschirr und seine Pferde, über den Gästgifvare und Hållkarl gewidmet, und der Gästgifvare muß auf des Reisenden Verlangen sein Attestat mit seines Namens Unterschrift als Bürgen hinsetzen. Auf diese Weise kann der Gästgifvare nicht so viel Unterschleif machen und jeder Reisende kann — worauf es ihm immer am meisten ankömmt — sehen, ob die Hållpferde schon alle fort oder noch einige übrig sind. Das Datum wird von dem Ablösungstermin geführt. Kommen nemlich die Hållpferde des neuen Tages um 6 Uhr Abends den 20. Junius, so schreibe ich auf die Rechnung der laufenden 24 Stunden dieses Hålltages den 21. Junius ins Tagebuch, so wie ich mit dem ersten Hållpferde abreise. Der erste Ruf, so wie man in den Gästgifvaregård einfährt, ist Hållkarl. Er oder sein Stellvertreter kommt mit dem Tagebuch. Man sieht es durch, eröffnet ihm seinen Willen, er läuft Hållpferde anspannen zu helfen, oder Reserve zu bestellen, oder er heißt ein Zimmer heitzen, das Bett machen, hilft Koffer und Sachen auf- und abpacken, herein- oder hinaustragen. Ist er widerspenstig, ist er oder der Skjutsbonde gar grob gegen den Reisenden, so sollen sie gesetzlich hart dafür büßen. Thut er gar etwas Gesetzwidriges und gegen die Gästgifvareordnung, so sind ihm 6 Paar Ruthen und 50 Daler Silfvermynt Buße gelobt.

Immer mag die Exekution wohl nicht so prompt erfolgen; viel kommt dabei an auf die Ordnung und Strenge eines jeden Landshafding, wie er die Polizei seiner Provinz verwaltet.

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