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Philosophie eines Weibes – Marianne Ehrmann

Alle Herzen sind zu fühlen geschaffen, und alle Vergnügungen scheinen gemacht zu seyn, der Seele Liebe einzuflößen. Durch sie werden die grösten Männer schwach, und das ist der unglückliche Zustand des Menschen, daß ihr die vollkommneste Klugheit, und die gewissenhafteste Frömmigkeit zu entgehen Mühe haben. Von allen Leidenschaften ist Liebe die allgemein herrschende, und ich darf beynahe sagen, daß sie die einzige ist, der ehrliche Leute frohnen, denn – man wird den ehrlichsten Mann, das ehrlichste Weib – verliebt sehen. Und der Sieg über sie ist nur dem Mißtrauen in sich selbst, und der Flucht gewähret. Ein elendes Ding ist daher ein Frauenzimmer ohne System gegen die Liebe – gegen die Männer. Hat sie noch dazu das Unglück, Reitze und Gefühl zu besitzen, – Stoff genug, daß sie jede Gattung von Schmetterlingen, die nur der Schönheit und ihrem Genuß nachflattern, immer auf dem Fuß verfolgt. Diese Weichlinge werden sich ihr unter verschiedenen Masken darstellen, und unter eben so vielen Künsten ihre Wünsche verbergen, um endlich zu siegen. Uns widersteht kein Mädchen, kein Weib: ist der gewöhnliche Machtspruch dieser Helden, und die mächtigsten Stützen dagegen sind Entschlossenheit, Stoltz und Geschmack eines Weibs in ihrer Wahl. Ich liebe meinen Körper zu sehr, um ihn so geradezu zum Mißbrauch so vieler Undankbaren zu bestimmen, und nur eine Dumme, Verdorbene kann niedrig genug seyn, bey jedem Angriff das Werkzeug der Bedürfniß der Männer zu werden. Ewige Schande dem Niederträchtigen, der ein Herz kauft, und die Liebe zum Miethling macht! Wißt Elende, daß ihr die Urheber so vieler Laster, die die Erde decken, und all des Schimpfes seyd, die diesen unglücklichen gefallenen Geschöpfen zu Theil wird. Die Einfalt eines Mädchens mißbrauchen, ist unwürdig eines ehrlichen Mannes, und wenn sich erst dann derer manche mit der Beute eines so armen vertraulichen Geschöpfes pralen! – O das ist wahrlich ein rührender Heldenzug! ein wackeres Verdienst! Bedenkt ihr dann nicht, daß, wenn wir Frauenzimmer wirklich so schwach sind, als ihr behauptet, euch eben darum unsre Eroberung wenig Mühe koste, und euer Triumph von keinem Werth seye? Schreibt nicht alle eure Schwachheiten auf unsre Rechnung, denn gab euch gleich die Natur das Recht, uns aufzufordern, so billigt sie doch deßwegen die Bosheit nicht, euch sogleich vor uns wieder zu eckeln. Die Natur gestattet euch eben so wenig, als uns den Mißbrauch ihrer Triebe, und doch führt ihr politische Grundsätze zu eurer Bequemlichkeit ein, – und doch verdammt ihr die Ausschweifungen eines Weibes weit mehr, als die eurigen? – Unbegreiflich scheint es mir, wie ihr strengen Schwärmer von schwächern Nerven eine standhaftere Zurückhaltung fordern könnt! – oder hängen hier in diesem Fall nicht beyde Geschlechter gleichviel von einer unglücklichen Minute ab? – Zwar folgt ihr Männer nur gar zu gerne der Stimme eures Temperaments, und die meisten unter euch können Liebe nur nachaffektiren, weil ihnen ihre fingerdicken Nerven dieß heilige reelle Gefühl nicht wirklich zuzulassen scheinen. Wie gerne würde ich nicht beyden Geschlechtern jenes unwillkührliche Verlieren der Liebe zu gute halten, wenn Taumel der Liebe sie entschuldigen könnte! – Aber garstiger Trieb, niedrige Absichten, Interesse, Geilheit, Vieherey sind meistens ihre Triebfedern. – Die ersten Rebellen gegen verdienstvolle enthusiastische Liebe sind meistens die Männer. Viele davon befriedigen blos ihre Lüsternheit, und lohnen uns mit kaltem Undank, wenn wir schwach genug waren, sie befriediget zu haben. Mir scheint, der Gebrauch sinnlicher Lüste ist solcher Art Männer schon so zur Gewohnheit geworden, daß sie die bangen unverkünstelten Gefühle eines braven Mädchens von den schändlichen Trieben halb verfaulter Kreaturen nicht mehr zu unterscheiden wissen. Haben sie dann nichts mehr zu wünschen, so sumsen sie wieder weiter, denn Leichtsinn ist nun einmal der Hauptzug in dem Karakter so vieler Männer. Zwar lernen sie leider nur zu oft das Betrügen von uns Weibern, und betrügen uns dann wieder, wenn sie Anlaß dazu finden. Aber wehe! wenn dies Loos eine Empfindsame trifft. – Ausgeschämte, feile Dirnen bezaubern den Mann nach und nach; – sie ziehen ihn durch Buhlerkünste an sich, und wenn sie ihn einmal fest haben, so ist er auch gewiß schon verlohren. Zum Sklaven machen sie ihn. Bald drohen sie, – bald reitzen sie, – bald zanken sie, – bald kriechen sie; – bis endlich der Kopf des Mannes zu einem Chaos von Leidenschaften wird, und er selbst zum Kinde zu werden anfängt. Ein unbedeutendes Wesen kriecht er zu jeder Niedrigkeit, die seine Buhlerin von ihm fodert, und umarmt willig ihren Schatten, wenn sie es in natura zu erlauben sich weigert. Er wimmert und seufzt bange um ihr Herz, und hat nicht genug gesunden Menschenverstand zu überlegen, daß sie keines habe. Interesse und Eitelkeit sind die Abgötter, denen er opfern muß, und sein Lohn ist – Spott, Verachtung und Undank.


Der gutherzige verliebte Thor sieht oft erst eine kleine Spur, die Befriedigung seiner Wünsche erkauft zu haben, während daß ein anderer kühnerer Nebenbuhler sie schon lange vor ihm gänzlich befriedigte. Wer bey solchen Weibsstücken am meisten zahlt, ist ihr Besitzer, und nicht Zärtlichkeit muß man bey ihnen suchen, denn ihre Herzen sind löchericht, und feines Gefühl ist ihnen fremd. Sie verkaufen ihre Körper ohne Seele, und genießen alles mechanisch. Es giebt zwar Männer, deren Einsicht ihnen alles dieses zum Voraus schon schildert, die aber dennoch zu schwach sind, sich von so wurmstichigen Seelen loszureißen, ungeachtet sie nie das seelige Vergnügen der Harmonie mit solchen Insecten genießen können. Langweilig und mißvergnügt schleichen die Stunden ihres Umgangs vorbey, und so lassen sich die Wollüstlinge taumelnd nachschleppen, bis der Betrug ihrer Buhlerin zu klar wird. Warum aber sind die Männer nicht vorsichtig genug, unser Geschlecht zu prüfen? Und warum fängt dann auch ihre Leidenschaft gleich mit solcher Hitze aufzubrausen an? Wenn ein niedliches Gesichtchen, ein leichter Gang – ein schlanker Wuchs – und eine kleine Dosis tändelnden Witzes – Dinge sind, die einen Mann bezaubern, so ist er schon weg, ehe er noch einen Blick in das Herz des Mädchens warf! O gute Männer! wüßtet ihr nur, wie so mannigfaltig auch das Herz eines Weibs ist! – Grillen – eitle Wünsche – Eigensinn – Verstellung – Thorheit – und Bosheit wohnet darinn. Eine Buhlerin, eine Eigensinnige, eine Filzige, eine Vielsprecherin, eine Witzige, eine Einbilderische, eine Fantastin, eine Närrin, eine Gelehrte machen einen Mann gewiß nicht glücklich; diese Weiber sind für ihn das, was in der Hölle Teufel und Furien seyn sollen. Die einte affektirt Uebelkeiten, Blähungen, Migraine, um ihren Liebhaber in der Besorgniß zu prüfen; und eine andere klagt über Härte des Schicksals, Unglück und Verfolgung, um sich sein Mitleiden zu erbetteln. Eine dritte sucht unaufhörlich Zwistigkeiten, und zankt immer deßwegen unbarmherzig, wie ein Satan, um die Geduld ihres Anbeters nach der Wunderlichkeit ihres Humors abzumessen; eine vierte witzelt bey jeder ungereimten Gelegenheit, um desto sicherer den Witz ihres Gesellschafters untersuchen zu können. Eine fünfte ist schmachtend, um ihn auch schmachten zu lehren; eine sechste traurig, und will ihn par Sympathie zu Thränen zwingen; eine siebende ist äußerst grob, und läßt ihn’s fühlen, daß sie ihn sklavisch behandle; und eine achte will sich durchaus nicht widersprechen lassen, um gelehrt zu scheinen. Nur Unschuld und Tugend eines Mädchens kann glücklich machen, und derjenige, der um der Befriedigung seiner Liebe willen heyrathet, ist ein Thor, und wird hierüber sein Unglück fühlen. Bald wird ihm vor der Wollustsspeise eckeln, und dann wird ihm dieses Grausen gar zu einem verzehrenden Gift und sengenden Fieber werden. Wenn Liebe einen physischen Endzweck zum voraus setzt, so stirbt sie, so bald sie ihn erreicht hat. Je höher man aber den Werth ihres Genußes setzt, desto gesicherter ist sie für Eckel. Erst auf das moralische muß das physische folgen. Denn wenn der Körper seine Abkühlung genossen hat, so bleibt er blos Maschine, und sehnt sich bey neu entstehendem Bedürfniß wieder mechanisch nach nöthiger Erleichterung. Daher so viele Männer Sklaven ihrer Bedürfnisse werden. Durch Gewohnheit zögeln sie sich selbst ihr Temperament, und suchen die garstigsten, niedrigsten Gegenstände, um ihren Lüsten nach Hundes Art den Lauf zu lassen. Mangel an gutem Geschmack ist hievon eine der ersten Ursachen, sie haben aber auch oft zu leere Köpfe, um sich selbst ein wahres Gefühl zu schaffen, und den Gebrauch davon am rechten Ort zu bestimmen, denn sonst würden sie ihre Triebe besser zu nützen wissen. Vielen fehlt es an der Erziehung. Sie werden roh und ohne Point d’honneur erzogen, und so handeln sie eben roh fort, ohne sich im mindesten vom gemeinen Pöbel zu unterscheiden. Nicht daß man die Jungen unsrer Zeit mit überspannten Ideen anfüllen, oder sie nach Vorschrift so mancher süßer Romane das itzt so sehr beliebte Empfindeln lehren solle: aber sie den mäßigen, richtigen Gebrauch ihrer Triebe lehren, das ist die Pflicht eines jeden, der für die Erziehung sorgt. Studieren soll man die Leidenschaften eines Kindes, sie in ihrem Keime bezähmen, aber nie ganz unterdrücken. Die Quelle zu den schönsten Handlungen würde man in ihnen verstopfen, und ihre Leidenschaften stürmten dann nur mit doppelter Stärke los.

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