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Deutschlands Dichterinnen – Heinrich Gross

Die vorliegende Skizze erschien zuerst in den Jahresberichten des k. k. deutschen Gymnasiums in Triest 1880 und 1881. Der beschränkte Raum, der zur Verfügung stand, machte die gedrängteste Kürze notwendig und gestattete fast nur eine trockene Aufzählung von Namen und Titeln und lediglich bei den hervorragenderen Vertreterinnen des Frauenschrifttums eine knappe Charakteristik; sonst musste der Verfasser auf die Quellen, soweit sie ausfindig gemacht wurden, verweisen. Gleichwohl fand die Arbeit eine über Verdienst günstige Beurteilung, und der wohlwollende Rezensent der «augsburger allgemeinen Zeitung» sprach sogar den Wunsch aus, dass eine Separatausgabe derselben veranstaltet werden möge. Diesem Wunsche glaubte der Verfasser ehestens nachkommen zu sollen, und er übergibt hiemit den ersten Versuch eines Grundrisses der deutschen Frauenliteratur der Öffentlichkeit. Zahlreiche Berichtigungen, Zusätze und Nachträge, sowie das beigegebene Register beweisen, dass er keine Mühe gescheut hat seinem Buche die möglichste Zuverlässigkeit und Vollständigkeit zu sichern. In diesem Bestreben wurde er wirksamst unterstützt von Frau Baronin Emmy Dincklage, von dem Herrn Conrektor Franz Brümmer in Nauen, dem rühmlichst bekannten Verfasser [IV:] des «deutschen Dichterlexikons» und des Adressenverzeichnisses in dem Literaturkalender der Brüder Hart für 1881, von Herrn Professor Karl Weiss-Schrattenthal in Déva (Siebenbürgen), von Herrn S. Scherk in Berlin und von seinem jungen Freunde, Herrn Med. Cand. Eduard Loser in Wien, wofür er hiemit seinen wärmsten Dank ausspricht. Zugleich erlaubt er sich an alle geneigten Leserinnen und Leser, zumal an die Dichterinnen und Schriftstellerinnen selbst die höflichste Bitte zu richten, ihm Berichtigungen und Ergänzungen zukommen lassen zu wollen, und behält er sich vor, dieser Skizze seinerzeit eine Blütenlese aus den Werken deutscher Dichterinnen und Schriftstellerinnen folgen zu lassen. Triest, am 4. Dezember 1881. Der Verfasser. DEUTSCHLANDS DICHTERINNEN UND SCHRIFTSTELLERINNEN. ———‹›——— Nicht der Mann allein macht die Geschichte und die Poesie … auch zum Culturprocesse gehört das »ewig weibliche.» Scherr II. S. 297. «Die Frauensphäre ist die enge Häuslichkeit, das Familientum; der Frauen nächster Beruf ist und bleibt es immer, dieses zu verklären als Priesterinnen der Sitte, der Ordnung und der Zucht, und ihr eigentümliches Talent ist das der stillen sinnigen Beobachtung. Halten sie als Schriftstellerinnen die Schranken dieses Berufes und dieser Befähigung inne, so werden sie immer als die naturgemässe Ergänzung der schriftstellernden Männerwelt gelten müssen; gehen sie aber als solche darüber hinaus, so fallen sie damit ohne weiters in die Kategorie der emanzipirten d.h. der von ihrer wahren Natur abgefallenen Weiber und erregen mit Recht mehr oder minder Anstoss». So äussert sich Barthel in seiner «deutschen Nationalliteratur der Neuzeit» S.


362 in treffender Weise. Man hat demnach nicht das Recht die Frauenwelt von der Schriftstellerei auszuschliessen und muss sich endlich einmal dazu bequemen, den Frauen die ihnen gebührende Stellung wie im sozialen Leben so in der Literatur einzuräumen; mit wegwerfenden Phrasen, wie sie unter andern R. König und selbst R. Gottschall (III. 263ff.) lieben, lässt sich eben darüber nicht hinwegkommen, und so sieht sich der letztere genötigt zuzugestehen, dass «die Galanterie, die man den deutschen Dichterinnen gegenüber zu hegen verpflichtet ist, dadurch begünstigt wird, dass sich unter der Damenlyrik einiges von ausgeprägter Physiognomie vorfindet». Sind auch die bisherigen Leistungen nicht durchwegs gediegen, so hat ja auch die schriftstellernde Männerwelt nicht ausschliesslich Klassisches zu Tage gefördert; Fortschritt und redliches Streben aber wird [4:] man auch der Frauenliteratur nicht streitig machen können, und diese müssen überall, sei es wo es sei, mit Freuden begrüsst werden. Und dient auch einzelnen Frauen die Schriftstellerei als Erwerbsquelle, so ist dies bei der schriftstellernden Männerwelt noch viel häufiger der Fall und darf dies den Frauen umso weniger verargt werden, als der Kampf um’s Dasein manche Frucht zeitigt. Das Reich der Frau ist allerdings der Haushalt. Dieser aber fordert von ihr nicht blos die gewöhnlichen Dienstleistungen des Kochens u.s.w. sondern auch «die Leitung einer edlern wirtschaftlichen Gesittung und die Pflege des höhern sittlichen und geistigen Lebens in der Familie», die Frau soll «zur Priesterin der edlern wirtschaftlichen Gesittung zu werden, aus welcher… die Kinder die Fähigkeit für die Lösung der Aufgaben einer neuen Generation schöpfen» 1) . Dazu bedarf sie der Bildung, darum darf sie Anspruch erheben zugelassen zu werden zu den Stätten derselben, darum darf ihr nicht länger vorenthalten werden eine Erziehung, die sie dazu befähigt ihre hehre Aufgabe voll und ganz zu erfüllen. Schon um des Einflusses willen, den sie auf den Mann und vor allem auf ihre Kinder übt, müssen wir es wünschen, dass sie ihre Talente nach allen Richtungen hin ausbilden dürfe. «Es ist eine alte und richtige Bemerkung, dass die grössten Männer aller Zeiten einen wesentlichen Teil ihrer geistigen Eigenart den geistigen Spillgütern der Mütter zu danken haben. Von den Müttern stammen die Keime ihrer Anlagen und Neigungen, die Mutter war es, welche sie zumeist gehegt und gepflegt hat. Aus dem Wesen der Mutter wuchs die Grösse und Eigentümlichkeit der Söhne heraus» 2) . Goethe hat seine «Lust zu fabuliren» von seinem Mütterchen geerbt, und so mancher deutsche Dichter verdankt der Anregung durch seine Mutter das, was er geworden und geschaffen. «Das Kind ist ein Dichter geworden, weil das Dichtergemüt es schon vor der Geburt gewiegt und geschaukelt in ihren von poetischen Anschauungen durchblühten und von [5:] Hoffnungen durchrankten Zukunftsträumen» 1) . Kann aber die Frau mit Recht den oben angedeuteten Anspruch erheben und bringt sie denselben innerhalb der richtigen Grenzen zur Geltung, hält sie sich dabei fern von allen jenen Wissenssphären, «welche im Widerspruche stehen mit der Stellung, welche die Natur ihr gab, und mit den Aufgaben und Pflichten, welche die sittliche Weltanschauung der Jahrhunderte ihr zugewiesen hat» 2) , wer dürfte es ihr dann verdenken, wenn sie unter Einhaltung dieser Grenzen von der erworbenen Bildung und dem ihr von der Natur verliehenen Talente Gebrauch machen und ohne Hintansetzung ihres natürlichen Berufes auch schriftstellerisch verwerten will? Und dass es der Frau trotz ihres leichteren Gehirnes an Talent und Begabung nicht fehlt, dafür zeugen — um zunächst von Dichterinnen zu geschweigen — die zahlreichen griechischen Philosophinnen, in erster Reihe Hypatia († 415) 3) , die Astronominnen Karoline Herschel 4) (geb. 1743) und Marie Kunitz-Löwen 5) , die französische Mathematikerin Sophie Germain (geb. 1776, † 1831), die Verfasserin der Preisschrift «über die Theorie der Schwingungen elastischer Platten» (1816), die Naturforscherin Madame Gray (†1876), das Wunderkind des 16. Jh. Anna M.

Schurmann aus Utrecht, die gelehrte Dorothea von Schlözer (1770-1825), der schon 1787 die philosophische Fakultät in Göttingen den Doctorstitel verlieh, die Philologin Madame Anna Dacier 6) , dafür zeugen die vielen glänzenden Namen auf dem Gebiete der bildenden Künste, [6:] insbesondere der Malerei, wie jene der Bildhauerinnen Elise Ney, Marie v. Württemberg, Minna Weitmann († 1875), Herzogin Colonna di Castiglione († 1879), der Malerinnen 1) Angelika Kaufmann-Zucchi (1741-1807), Theresia (1725-1806) und Anna Maria Mengs (1751-1793), Marie Wiegmann, Helene Richter, Antonie Biel, Antonie Volkmar, Anna Schieb, Elisabeth Jerichau-Baumann 2) , dafür zeugt die Unzahl genialer Schauspielerinnen, allen voran Deutschlands grösste Tragödin Sophie Schröder († 25. Febr. 1868) 3) , anderer Namen nicht zu gedenken. «Nicht der Frau, sondern den Frauen spreche ich das Talent der Männer ab», sagt in feiner Weise der geistreiche Rousseau 4) . Gilt dies für das Gebiet der Wissenschaften, der bildenden Künste, der Musik und der Schauspielkunst, um wieviel mehr wird es auf dem Gebiete der Dichtkunst gelten müssen, für das die Frau ihrer Natur nach besonders beanlagt ist. Dem weiblichen Geschlechte, «welches ja überhaupt mehr zur Poesie hinneigt, als der auf das Praktische gerichtete männliche Sinn» 5) , den Zutritt zum Parnasse verweigern heisst die Chariten und Musen aus jenem Kreise verbannen, in welchem sie vor allem zu herrschen befugt sind. Sowie die Frauen zur Poesie begeistern 6) und die Beziehungen zu ihnen den Stoff zu Dichtungen liefern, so können und dürfen sie wohl auch durch ihre Poesie begeistern. Ihr Leben ist Poesie, ihre Poesie daher etwas erlebtes. «Die Frauen leben die Poesie» 7

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